LVIII.

[95] Harun Raschid befand sich in Rakka, mit Fasl, [Rand: Alaim.] dem Sohne Jahjas, dem Barmekiden. Höre, Fasl, sprach er, dein Freund Ismail, der Sohn Salehs, der Sohn Alis, ist hier angekommen, ich wünschte ihn zu sehen, und noch mehr ihn singen zu hören. Das wird schwer halten, antwortete Fasl, sein Bruder Abdolmelek, der in deiner Gefangenschaft schmachtet, hat ihm verboten dich zu sehen. – Nun so wollen wir abwarten, ob er nicht vielleicht selbst kommt. – Indessen wandte Fasl alle seine Beredsamkeit auf, seinen Freund zu bewegen, daß er vor dem Chalifen erscheine und spiele, was ihm denn auch endlich gelang. Ismail wurde auf den folgenden Tag vom Chalifen zu Tische geladen. Mich freut es recht sehr, sprach Harun, dich zu sehen, nun wollen wir miteinander trinken. Sie tranken, der Vorhang des Harems flog auf, und die Sklavinnen traten heraus mit Instrumenten und Trinkschaalen. Harun nahm aus einer Sklavin Hand die Laute, legte sie seinem Gaste in den Schooß, und hieng ihm um den Hals eine Schnur von zehn Perlen, deren Werth auf dreyßigtausend[95] Dirhem geschätzt ward. Kauf dich hiermit, sagte der Chalife, von deinem Schwure, vor mir nicht zu singen, los. Ismail ließ sich erbitten, stimmte die Laute, und sang die Verse Welid's, des Sohnes Jesid's auf Galia, die Schwester Omars, des Sohns von Abdolasis. Er sang das Lied, und dann nach derselben Weise die folgenden Verse:


Ich schwör', ich habe keine Schuld daran,

Ich bot zum Werke weder Fuß noch Hand,

Ich folgte weder meinem Aug noch Ohr;

Mich leitete nicht Urtheil, noch Verstand.

Es trift nur einen Mann wie mich, der Pfeil

Des Unglücks, wenn es niederstürzt auf's Land.


Raschid war bezaubert, so schöne Worte von einer so schönen Stimme vorgetragen zu hören. Er forderte eine Lanze. Die Lanze ward gebracht, und Raschid belohnte und belehnte den Sänger mit der Statthalterschaft Egyptens, die ihm binnen zwey Jahren, wo er dieselbe verwaltete, fünfmal hundert tausend Dukaten eintrug.

Als sein Bruder Abdolmelek davon hörte, misbilligte er nicht destoweniger, daß sich Ismail vor dem Chalifen zu singen erniedriget habe.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 95-96.
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