VI.

[9] Omar machte eines Abends in Medina, als [Rand: Dschami. 522.] Chalife, selbst die Runde. Aus einem Hause, dessen Thor gesperret war, tönte ihm gedämpfter Lautenschall entgegen. Er stieg auf das Dach, und sah einen Mann, der mit einer Dirne sang und trank und kosete. – Nichtswürdiger! rief ihn Omar von der Terrasse herab, dir ist's nicht genug an einer einfachen Uebertretung des Gesetzes, sondern Weib und Wein und Schalmey mußt du vereinen, damit du dreyfache Schuld auf dich ladest. – Fürst der Rechtgläubigen,[9] wenn du deinen heiligen Eifer ein wenig mildern möchtest, so hätte ich dir auch ein Wort zu sagen. – Sprich! – Wenn ich dreyfache Schuld auf mich geladen, so hast du's nicht minder; denn der Koran spricht: Hütet Euch den Ausspäher zu machen; du aber kamst als solcher. Weiter: Geht bey den Thüren zum Hause hinein, du bist beym Dache hereingekommen; und endlich: Wenn ihr ein Haus betretet, so grüßet die Bewohner desselben, du bist aber ohne Gruß hereingekommen.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 9-10.
Lizenz:
Kategorien: