IV. Hund und Katze beim Hausbau des Menschen.

[203] Aus Estland.


a) Als das erste Haus gebaut wurde, hat die Katze den ersten Eckstein zu einem Ofen gebracht, damit es im Hause auch warm sei. Der Hand aber hatte gesagt:[203] »Ich werde dem Menschen nicht helfen. Ich gehe auf einen Schneehaufen und schlafe lieber, als daß ich dem Menschen helfe.«

Deswegen hat die Katze ein Recht auf den warmen Ofen im Zimmer. Der Hund aber muß mit dem kalten Schneehaufen zufrieden sein. (Aus Klein-Marien.)


b) Als der erste Mensch auf Erden lebte, da kam der Winter. Da gedachte sich der Mensch eine Hütte zu bauen, worin er Schutz vor dem Frost zu finden hoffte. Er ging in den Wald, fällte Bäume und begann mit dem Bau.

Die Katze und der Hund sahen das. Die Katze sagte zum Hunde: »Komm, wollen wir dem Menschen die Hütte bauen helfen, dann werden wir vielleicht auch in der Hütte Schutz gegen die Kälte finden.« Der Hund aber sagte: »Ich fürchte mich vor dem Frost nicht und will nicht in die Hütte des Menschen. Ich werde ihm nicht helfen.« Die Katze aber ging und half dem Menschen, deswegen hat sie bis heute ein Plätzchen im Zimmer, während der Hund stets draußen schläft oder wacht, auch bei arger Kälte. (Aus Ampel.)


c) Früher hat es keinen Frost und keinen Winter gegeben, die Menschen schliefen und lebten im Walde und brauchten keine Häuser. Dann aber kam die Kälte, und die Menschen mußten sich Häuser bauen.

Die Katze kam und half dem Menschen das Haus, die Stube bauen. Deswegen hat sie auch ein bleibendes Recht, im Zimmer zu wohnen. Der Hund aber half dem Menschen nicht beim Bauen. Deswegen muß er auch bis heute selbst bei der grimmigsten Kälte auf dem Hofe leben und schlafen. (Aus St. Marien-Magdalenen.)


  • Literatur: Aus dem hdschr. Nachlaß von J. Hurt.
Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912, S. 203-204.
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