Der schlimme Finger

[166] Ein gewisser Priester wünschte sich einer sehr hübschen Witwe zu erfreuen, wußte aber nicht, wie er's anstellen sollte, um zum Ziele zu gelangen.

Kraft seines nächtlichen und täglichen Nachdenkens stieg ihm eines Tages ein Gedanke auf, den er sich in Ausführung zu setzen beeilte.

Er nahm Zupfwatte und sauberes Leinenzeug und wickelte sie um den Zeigefinger der rechten Hand, wie wenn er an einem Nagelgeschwür leide, und erging sich mehrere Tage über, den Arm in der Binde, von Zeit zu Zeit stehen bleibend, als ob er unerträgliche Schmerzen erdulde, vor allem wenn er vor der Witwe Behausung vorbeikam.

Was er sich gedacht hatte, geschah; die Witfrau bemerkte den Vorgang und nahm an des Priesters Krankheit Anteil. So hielt sie ihn denn eines Abends an, um sich nach seinem Ergehen zu erkundigen.

»Ich danke Euch, meine Tochter,« sagte er, »ich leide an einem ›eucharistischen‹ Nagelgeschwür.«

»Eucharistisch? Nie hab' ich davon reden hören!«

»Das ist nicht verwunderlich. Wir Priester sind eben nicht beschaffen wie die anderen Menschen, die nicht zum Stamme Levi gehören ...«[167]

»Ach, ich verstehe, es ist ein priesterliches Nagelgeschwür?«

»Eben das!«

»Nun denn, was sagen die Ärzte?«

»Ich habe niemanden um Rat gefragt, da es verlorene Liebesmüh wäre. Man hat uns arme Priester das gelehrt! Das ›eucharistische‹ Nagelgeschwür schwärt sachte, sachte weiter, es greift aufs Handgelenk, den Arm über und kommt ans Herz. Dann ... ist's zu Ende!«

»Aber man kann Euch doch noch retten?«

»Ja und nein. Wo soll man ein Weib suchen, die am Auferstehungstage unseres Herrn und Heilandes geboren, Witwe und dreiunddreißig Jahre alt ist, wie unser göttlicher Meister, da er starb?«

»Wenn's eine Frau auf Erden gibt, die all' diese Bedingungen erfüllt, so bin ich's!«

»Das ist wunderbar! Doch wird's mir nicht helfen.«

»Und warum nicht?«

»Weil ich meinen Finger mindestens eine Viertelstunde lang in den geheimsten Ort dieser bevorrechtigten Frau legen muß. Dürfte ich armer Priester Euch um ein solches Opfer angehen?«

Sagt die Witwe darwider: »Ich möchte Euren frühzeitigen Tod nicht vor Gott zu verantworten haben. Wenn 's sich nur um Euren Finger handelt, so ist kein Unrecht dabei, nicht wahr?«[168]

»Gewißlich ist's keine Sünde, vielmehr eine gute Handlung.«

»Kommt zu mir. Da ich nicht will, daß man meine Tugend durch die Zähne zieht, werd' ich die Magd beurlauben.«

Der Pfarrer ist begeistert. Er folgt der Witwe, ißt Lukhums und eingemachte Früchte und trinkt einige Gläser Samoswein.

»Seid Ihr immer noch bereit;« fragte er die Witwe, »wird Euch das Opfer nicht leid tun?«

»Was für eine Handlung tut man nicht, wenn sie einem im Himmel angerechnet werden wird?«

»Nun, so laßt uns hinlegen, da mein Finger lange an dem Orte verharren muß, der ihm Hilfe bringen soll. Ich will Euch nicht ermüden!«

Die Witwe streckt sich aus. Der Priester entkleidet sich und legt sich der Schönen zur Seite. Schnell bringt er nicht seinen Finger, nein, seinen dicken Pfaffenstock in Freiheit und steckt ihn an den Platz, auf dem der Springinsfeld sich gewöhnlich belustigt.

Sagt die Witwe: »Merkwürdig ist's, aber Euer Finger scheint mir ganz und gar dem Ackermännlein meines Seligen zu gleichen. Würde es gar schwören, wenn er nicht länger und dicker wäre.«

Um ein weniges hernach fängt das Weib wieder an: »Aber das ist ja kein Finger, das ist der Pfaffenstock, den Ihr mir zwischen den Schenkeln eingeschoben[169] habt. Er macht mir mehr Freude denn der meines armen Verblichenen!«

Und der Pfaffe schweigt und setzt nicht weniger seine Arbeit fort.

Das Weib jedoch ist vor Glück außer sich. Der Pfarrer desgleichen und sagt:

»Ich bin geheilt. Das Geschwür ist aufgegangen und hat sich des Eiters entleert!«

Quelle:
[Hansmann, Paul] (Hg.): Schwänke vom Bosporus. Berlin: Hyperionverlag, [1918], S. 166-170.
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