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[78] Eine Witfrau hatte einen sehr schönen Burschen als Knecht.
An einem Frühlingstage nun stand sie über dieses und jenes schwatzend mit ihm am Fenster, als ein Paar kleiner Vögel sich auf einen Nachbarbaum setzte. Und sieh, das Männchen hüpft aufs Weibchen, macht piep, hüpft herunter, hüpft wieder hinauf und so geht es endlos fort.
Hub das Weib zu lachen an.
»Wahrlich, so oft können's die Männer nicht machen,« sagt sie zu ihrem Diener.
»Und warum nicht, Frau?«
»Du vergißt, daß du mit einer Witib und nicht mit einem Mädchen sprichst. Konstantin, mein seliger Mann, ist nie über das drittemal hinausgekommen. Und alle Welt weiß, daß er ein kräftiger Bursche war, ein tüchtiger Springinsfeld!«
»Dreimal, pah,« macht der Diener auf die Erde spuckend.
»Man merkt doch, daß du ein Prahlhans bist,« entgegnete das Weib. »Klapprig wie du bist, wirst du nach dem zweiten Male schon schlapp werden!«
»Nach dem zwölften wollt Ihr sagen?«[79]
»Lügner deinesgleichen sollten sich zum Teufel scheren!«
»Ich bin bereit, es gegen einen Jahreslohn zu beweisen. Einem jungen und hurtigen Weibe, keiner zahnlosen Vettel würde ich ein Dutzend versprechen.«
»Nun, ich nehme die Wette an.«
»Tut es nur!«
»Gut denn, es sei. Willst du's gleich versuchen?«
»Gleich. Die Leute sind draußen. Kommt auf Euer Bett.«
Die Schlaubergerin nimmt ein Brettchen und ein Stückchen Kreide, dann legt sie sich ins Bett. Der Knecht tut nach der Wette. Und bald hat er zu zählen: eins, zwei, drei, dann vier. Bei jedem Male macht die Frau einen Strich aufs Brettchen.
Und so geht's fort und fort, bis endlich der Mann aus dem Bette springt und zu ihr sagt:
»Zählt nach, ich hab' die Wette gewonnen.«
»Nein,« erwiedert das Weib, »es macht nur elf.«
»Ihr habt einmal vergessen.«
Man streitet und balgt sich, bis das Weiblein, die Kreidestriche auswischend, ruft:
»Nun denn, da wir nicht übereinkommen, wollen wir die Wette von neuem beginnen!«