[46] 13. Der Tanz der Vögel

Eines Tages kamen die Vögel in Rapopokanawuira auf Neu-Lauenburg zusammen, um dort ein großes Tanzfest abzuhalten. Sie hatten dazu die Teufel mit ihren! Frauen eingeladen, denn die sollten die Musik machen. Die Geladenen erschienen auch; und in der ersten Reihe, wo die Musikanten mit den Trommeln saßen, ließen sich die Frauen nieder und sahen zu.

Zu diesem Tanzfeste war eine große Menge zusammengeströmt, alte, ehrwürdige Teufel und die Geister des benachbarten großen Vulkans, der Kaija. Ihr Anführer hieß To Marmarki; von ihm war die Anregung zu dem Tanze ausgegangen.

To Marmarki gab das Zeichen zum Anfang, und die Vögel stellten sich paarweise zum Tanze auf. Ganz hinten standen zwei Eulen, vor diesen zwei Krähen, davor zwei Stare, und es folgten ein Seeadlerpaar, zwei Habichte, zwei Tauben, zwei Kuckucke, zwei Malip-Vögel, zwei Kakadu, zwei Edelpapageienweibchen, und in der vordersten Reihe standen zwei Edelpapageienmännchen.

Die Eulen eröffneten den Reigen und tanzten zuerst die Reihe entlang nach vorn.

Als sie bei den Frauen vorüberkamen, sagten diese: »Wer [46] mag denn die beiden leiden, mit ihren tiefliegenden Augen und den häßlichen, weißen Schleiern darum?«

Nun tanzten die Krähen die Reihe entlang. Die Frauen aber sagten: »Wohin wollen die beiden? Sie sind ja kohlschwarz. Die mag niemand leiden.«

Nun kamen die Stare und tanzten. Die Frauen sprachen: »Wohin gehen denn die mit ihren gelben Schnäbeln und den paar weißen Flecken auf dem Gefieder?«

Alsdann tanzten die Seeadler die Reihe entlang. Die Frauen aber redeten: »Wer mag die beiden mit ihrer schmutziggelben Farbe leiden?«

Darauf tanzten die Habichte vor. Und die Frauen schwatzten: »Was haben die beiden für weiße Hälse und ein rotbraunes Gefieder? Wer mag die beiden?«

Es folgten die Tauben. »Wohin wollen diese Weißhälse? Wer will die beiden haben?«

Nun kamen die Kuckucke an die Reihe und tanzten nach vorn. Die Frauen spöttelten: »Wohin wollt ihr denn mit eurem gesprenkelten Gefieder? Findet jemand an ihnen Gefallen?«

Als darauf die Kakadu vortanzten, sagten die Frauen: »Wozu tanzen überhaupt diese Weißköpfe, die über und über mit Kalkstaub bestreut sind? Wem könnten diese wohl passen!«

Dann tanzten die prächtigen Malip-Vögel die Reihe entlang. »Wohin eilen die beiden Feuerroten mit den gelben Flügeln? Wer möchte die haben?«

Nunmehr tanzten die beiden Edelpapageienweibchen, und die Frauen riefen: »Wer wird zwei so rote Vögel nur leiden können?«

Zum Schluß tanzten die Edelpapageienmännchen. Da sagte eine der Frauen: »Wo hinaus wollen denn die mit ihrem moosgrünen Gefieder?«

Sowie sie aber ihre Schwingen in die Höhe hoben, kamen deren purpurrote Unterseiten zum Vorschein. Als die Frauen das sahen, stürzten zwei von ihnen aus der Reihe hervor und klammerten sich an den Vögeln fest, damit sie ihnen gehörten. [47] Die anderen waren eifersüchtig, und wollten sie auch haben. So entstand unter Zanken und Streiten ein großer Lärm; eine heillose Verwirrung wurde angerichtet. Schließlich flüchteten alle vom Tanzplatz; bald konnten sie jedoch nicht mehr weiter, denn ein gewaltiger Felsen versperrte ihnen den Weg.

Da stimmten die Frauen und Männer ein lautes Wehklagen an und suchten weinend nach einem Ausweg. »Wohin sollen wir uns flüchten?« riefen sie alle.

Da schrie To Marmarki in die Menge hinein: »Wartet, ich will euch helfen! Macht mir Platz!«

Alle machten ihm Platz. Und To Marmarki stellte sich vor den Felsen, ließ einen Wind streichen und sprengte ihn damit. Nun konnten alle durch die Löcher flüchten.

Trotzdem gab es ein großes Gedränge; einige wurden dabei getötet und breitgetreten. Die Leichen warf man ins Meer, wo sie in Fische verwandelt wurden.

So wurde ein Mann, den man breitgetreten hatte, zum Rochen, ein anderer zur Scholle, ein dritter zur Schildkröte. Einem Manne hatte man den Kopf zertreten, der wurde zum Plattkopf. Ein fünfter Mann endlich, den man mit einer Anzahl Lanzen durchbohrt hatte, strotzte davon wie ein Skorpionfisch. Als sie seine Leiche ins Meer warfen, wurde er zu einem wirklichen Skorpionfisch.

Quelle:
Hambruch, Paul: Südseemärchen. Jena: Eugen Diederich, 1916, S. 46-48.
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