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Es waren einmal zwei Brüder, die wohnten nah beieinander; der eine hieß Lars und war reich, aber der andre war arm und hieß Hans. Der reiche Bruder war noch dazu furchtbar geizig, und das ist eine Sache, die nicht so selten bei derlei Leuten vorkommt. So geschah es einmal kurz vor dem Julfest, daß der arme Bruder zu ihm kam und bat, ob er ihm nicht ein klein wenig Eßwaren geben könne als Beisteuer zum Julabendessen, er habe so wenig daheim und so viele Kinder.
»Da stehst du nun und hast immer eine Jammerwirtschaft«, sagte er, »ich kann dich wohl nicht loswerden, also da hast du ein für allemal eine Speckseite, und damit kannst du bis zur Hölle fahren.« – »Ja, danke vielmals, das will ich tun«, sagte Hans, denn er war immer vertrauensselig, und er nahm den Speck auf den Rücken und ging. Aber statt heimzugehen, zog er in die entgegengesetzte Richtung, um zu fragen, wo die Hölle sei. Er ging lange, aber endlich kam er zu einem alten Mann, der stand und grub an einem Hügel. »Wo willst du denn hin?« fragte der Mann, »daß du zu dieser Tageszeit diesen Weg gehst?« Es war nämlich Abend geworden.
»Ja«, sagte er, »mein Bruder hat gesagt, ich solle mit dieser Speckseite zur Hölle wandern; aber ich weiß nicht, wo das ist, und werde wohl meine liebe Not haben, es zu finden.«
»Nicht doch«, sagte der Mann, »der Weg dahin ist nicht [117] gar so schwer zu finden, sei nur so gut und gehe in das Loch hinunter, das ich hier grabe; es ist tiefer, als du glaubst, und gehe so lange weiter, bis dir etwas begegnet.«
Da packte der arme Mann den Speck gut ein und drückte ihn fest an sich und machte sich selbst so klein, wie er konnte, denn er meinte ja, der Platz sei knapp, aber es war Platz in Menge, so daß noch mehrere den gleichen Weg hätten hinuntergehen können. Endlich kam er vor ein erschreckliches Feuer, das war mitten auf dem Boden angezündet, und es war eine Hitze, daß man hätte einen Ochsen braten können. Da erblickte er so viele kleine Teufel, daß es erstaunlich war zuzusehen, und die liefen um das Feuer und sprangen zu ihm hin und wollten sehen, was er in seinem Sack hätte.
»Da habe ich eine halbe Speckseite«, sagte er, »mein Bruder hat sie mir gegeben und gesagt, ich sollte damit zur Hölle gehen; jetzt weiß ich aber nicht, ob ihr das kaufen wollt, denn hier ist doch offenbar die Hölle.«
Das träfe sich gut, sagten sie, denn Speck sei gerade die Fleischsorte, die sie brauchen könnten, Teufel und Schweine hätten ja seit Christi Zeiten zusammengewohnt; und sie boten ihm eine Art Kaffeemühle als Entgelt.
»Aber, was soll ich denn damit?« sagte er, »ich habe ja keine Bohne zu mahlen.« – »Wenn du keine hast, so brauchst du bloß daran zu denken, welche zu mahlen«, sagten sie, »dann hast du sie sofort; aber du brauchst nicht notwendig Kaffeebohnen zu mahlen, denn auf so einer Mühle kannst du alles mahlen, was du dir nur wünschst, und so lange du es wünschst, mahlt sie dir alles gleich schnell, und wenn du denkst, du hast genug und willst sie zur Ruhe bringen, so brauchst du ihr nur drei Worte zu sagen« – er wisperte ihm etwas ins Ohr – »dann steht sie augenblicklich still.«
»Habt schönen Dank, ich will mir's wohl merken«, sagte er und zog mit seiner Mühle aus der Hölle ab.
Als er zu seiner Frau heimkam, war es spät in der Nacht, und sie war zornig und zankte sehr: »Wo, zum Teufel, hast du nur gesteckt, du Faselhans? Jetzt ist es über Mitternacht [118] hinaus, und wir hätten doch ein paar Brocken in den Leib bekommen sollen am hochheiligen Julabend. Du weißt doch, daß wir nicht das geringste im Haus haben, und ich habe in alle Ewigkeit gewartet und hatte immer Angst, dir sei ein Unglück zugestoßen.«
»Aber, liebe Frau, sei doch endlich still!« sagte er. »Ich will dir sagen, ich war wirklich beim Teufel, und da bekam ich hier die Mühle, die ich auf den Tisch gestellt habe; das ist eine, die wir brauchen können, und wir wollen sie gleich probieren.«
»Das wäre ja recht schön«, sagte sie, »aber das Wichtigste ist nicht da, wir haben nämlich keine Bohnen im Haus.«
»Ja, die Bohnen soll sie selbst liefern, das gehört zum Vertrag«, sagte er.
»Dann ist es was anderes, wenn du sie dazu bringen könntest, wäre es herrlich, da könnten wir eine Schale Kaffee zum Julfest bekommen. Aber wir hätten eigentlich einen Bissen Brot und ein wenig Licht nötiger, sonst müßten wir im Dunkeln sitzen an so einem hochheiligen Abend.«
Das konnte die Mühle auch mahlen, und er sagte: »Mahle Licht!« Gleich kamen Lichter. Sie zündeten sie an, und er brachte die Mühle dazu, Brot zu mahlen, zuerst Schwarzbrot, das ging höchst flink, ein Laib purzelte nach dem andern so eilig heraus, daß er schon nach einer kurzen Weile sagen konnte: »Jetzt haben wir Brot auf lang hinaus.« Dann mahlten sie feines Brot zum Julfest und sie hatten bald Überfluß an Brot.
»Hast du noch andere Sachen nötig?« sagte er. »Sag es jetzt gleich, da doch die Mühle einmal im Gang ist.«
Da fehlte freilich vielerlei, denn sie hatten, wie gesagt, gar nichts, das Haus war so arm, wie es nur sein konnte. Also mahlten sie Küchenzeug und Hausgeräte, Töpfe und Pfannen und Krüge und Kannen, dazu auch feinere Sachen von Silber und Gold. Sie mahlten auch Silberlöffel und Becher, Messer und Gabeln, alles aus purem Silber.
»Ich meine, jetzt sollten wir aufhören!« rief da die Frau. [119] »Wir haben ja schon so viel, daß wir ein Fest damit herrichten könnten.«
»Das wollen wir aber auch«, sagte er, und als die Mühle noch einmal ordentlich ihres Amtes gewaltet hatte, sagte er das ausgemachte Wort, und da stand sie still.
Nun lief sich der Mann fast die Beine ab im ganzen Dorf herum und lud ein: ob sie nicht so gut sein wollten und am dritten Jultag und Abend zu ihm und seiner Frau zu Besuch zu kommen. Er lief das ganze Kirchspiel ab, und alle wunderten sich; er hätte ja kaum das Salz zur Suppe, meinten sie, und dachten, er sei verrückt geworden. Er ging auch zu seinem Bruder und dankte ihm für letztesmal und lud ihn ein, ob er nicht zum Julessen kommen wollte am dritten Jultag und auch seine Frau mitbringen. Die zwei paßten gut zusammen, denn sie war auch so eine geizige Seele, aber immerhin glaubte sie nicht, daß es der Mühe wert sei, dahin zu gehen. So dachten noch mehr Leute, und die blieben zu Hause; aber es waren auch manche, die kamen, und die standen starr, als hätten sie Mund und Nase verloren, als sie die Herrlichkeit und den Überfluß an allen Ecken und Enden gewahr wurden.
Im Lauf des Nachmittags, als Lars vor die Tür ging, um zu sehen, wie die Wetteraussichten stünden, da fiel ihm auf, daß in seines Bruders Haus so viele ab und zu gingen. Das ging ihm in seinem dicken Kopf herum, und da ging er hin und erzählte seiner Frau, was er gesehen hatte. Das konnte sie nicht begreifen, daß er so viele Gäste hatte, und sie beschlossen, auf einen Sprung hinüberzugehen, denn die Frau war so schrecklich neugierig.
Wie sie also hineinkamen, rissen sie auch die Augen weit auf, denn nirgends im ganzen Dorf gab es einen so reichen Haushalt. Sie wurden gleich zu Tisch gebeten, aber als sie fertig waren, sprach Lars mit seinem Bruder draußen im Gang und fragte, was das bedeuten solle. »Du armer notiger Teufel! Hast du das gestohlen oder geliehen? Sag mir nur mit einem Wort, wo du das her hast.«
[120] »Ja, gern«, sagte Hans. »Erinnerst du dich, als du mir den Speck fürs Julfest gabst, daß du gesagt hast, daß ich damit zur Hölle gehen sollte? Das habe ich ganz buchstäblich getan, und die nahmen den Speck und gaben mir eine Mühle als Entgelt, die kann alles mahlen, was man nur verlangen kann, und liefert selbst alles, was man nur braucht.«
»Das ist eine schöne Lüge, die du mir da erzählst«, sagte der Bruder, »aber zeig mir die Mühle einmal, ich will sie dir abkaufen!«
Da zeigte er sie ihm. »Was willst du dafür haben?«
»Ja, die ist teuer, das kannst du dir denken«, sagte Hans, »die kostet dreihundert Taler; ich wollte sie eigentlich nicht verkaufen, aber weil du mein Bruder bist, so sollst du sie haben.«
Das sei aber viel Geld, ob er sie nicht billiger haben könnte? Nein, da sei gar nichts zu wollen, nicht einen Schilling billiger sei sie feil; auch wolle er sie selbst noch ein halbes Jahr behalten und sich noch weiter mahlen lassen, was er nötig hätte. Damit mußte der reiche Mann sich zufrieden geben, wenn es ihn auch bitterschwer ankam, so viel Geld zu bezahlen; aber er konnte noch viel weniger ruhig zusehen, daß sein Bruder die Mühle hatte, denn er hatte Angst, daß der andere ebenso reich werden möchte wie er selbst.
Also geschah es nicht vor Herbst, daß Lars die Mühle eingehändigt bekam und nach Hause trug. Da überlegte er bei sich, daß seine Frau gut von morgens bis abends mit aufs Feld gehen könne zur Herbstzeit, statt daß sie wie sonst immer zu Haus bliebe, um das Essen zu kochen, und das wäre eine schöne Ersparnis; nun brauchte er nur mittags heimzurennen und die Mühle in Gang zu setzen, und die konnte ihnen im Handumdrehen das Mittagessen mahlen.
Am ersten Tag machten sie aus, sie wollten Grütze und Hering haben, es war so lange her, seit sie frischen Hering gegessen hatten. Kurz vor Mittag rannte der Mann heim. Er drehte die Mühle an und sagte: »Mühle, mahl mir Hering und Brei!« Sofort begann sie zu knarren und mahlte rasch Hering und [121] Brei durcheinander. Er setzte ein Faß nach dem anderen darunter, aber es dauerte nur kurze Zeit, so waren alle voll, die er hatte. Nun ließ er sie die Bottiche voll mahlen, denn man konnte es ja für die Schweine verwenden, dachte er, und die Mühle mahlte weiter. Zuletzt waren auch alle seine Eimer voll, und nun dachte er, sie hätten für einige Zeit genug und wollte die Mühle zum Stehen bringen. Aber sie wollte nicht stehenbleiben, und sein Bruder hatte ihn das Wort nicht gelehrt, das man dabei sagen mußte. »Man kann sie ja festhalten, sie ist ja nicht groß«, dachte er, aber das konnte er nicht, und als er sich daran müde geplagt hatte, hatte sie so viel gemahlen, daß er bis an den Hosenbund in Hering und Brei stand.
Der Frau auf dem Feld draußen kam es merkwürdig lang vor, daß er nicht zum Essen rief, und sie ging den Abhang hinauf, um zu sehen, ob er nicht außen stehe und winke. Da kam er aus dem Hof gerannt und rief den Leuten zu, sie sollten doch endlich machen, daß sie heimkämen, und ihm helfen, die Mühle zu halten. Aber als sie heimkamen, hatte sie das ganze Wohnhaus vollgemahlen. Da barst eine Tür, und so wälzte es sich hinaus in den Garten wie eine wahre Flut, so daß ein riesiger Brei draußen entstand.
Da wurde es ihm etwas unbehaglich, aber dann fiel ihm ein, daß es das beste sei, nach seinem Bruder zu schicken. Er kam, aber er wollte die Mühle unter keiner anderen Bedingung zum Stillstand bringen, als daß er sie wiederbekäme. Während sie standen und darüber verhandelten, mahlte die Mühle weiter, daß fast der ganze Hof voll war. Nun mußte er sich entschließen, sein Eigentum zu retten und die Mühle fahrenzulassen. Sie wurde also zur Ruhe gebracht, und der Bruder nahm sie mit sich. Aber jetzt mußten sie sich müde schaffen, um den Hof und das Wohnhaus wieder zu säubern.
Lars und seine Leute hatten den ganzen Herbst über zu tun, um all den Hering und Brei wegzuschaffen, und das war keine behagliche Arbeit, denn es fing bald an zu stinken. Aber das schlimmste war, daß der Herbst darüber versäumt wurde, [122] so daß er seine Ernte nicht unter Dach bekam, und das war ein unermeßlicher Verlust für ihn. Im Winter darauf litt sein Vieh Hunger und starb ihm, ein Stück ums andre, kurz und gut, das Ende war, daß er aus einem reichen ein armer Mann wurde.
Aber der andere Bruder vermehrte seinen Hausstand und wurde ein wohlhabender Mann. Da wollte er nicht mehr in dem kleinen Haus bleiben; und er mahlte sich einen richtigen Staatshof oben auf einer Anhöhe am Meer, und der war gedeckt mit purem Gold statt des Daches. Da wohnte er, und alle Leute, die auf dem Meer vorbeifuhren, konnten sich danach richten, so glänzte es; und alle, die nahe vorbeikamen, gingen hinein, um den Hof zu sehen.
Eines Tages kam da ein norwegischer Schiffskapitän zu ihm zu Besuch, er segelte mit Salzfrachten und fragte ihn, wie er so reich geworden sei. Ja, er sei nicht gerade so reich, aber er habe eine Mühle, die könne alles mahlen, was er sich wünsche. So eine Mühle zu haben, sei schon etwas wert, meinte der Schiffer; wenn sie nur auch Salz mahlen könnte. »Das kann sie natürlich auch«, sagte Hans und setzte sie in Gang, daß der Schiffer sehen sollte, wie sie feines Salz und grobes Salz ganz nach seinem Belieben mahlen konnte. Da bekam er ein großes Gelüsten danach und wollte sie absolut kaufen. »Die könnte mir von ungeheurem Nutzen sein und mir große Seereisen hin und zurück ersparen, denn es ist weit bis zu den Salzklippen.« Er konnte sie bekommen, wenn er tausend Taler dafür zahlte, und dieser Handel wurde ohne langes Hin und Her abgeschlossen.
Der Schiffer nahm die Mühle mit, aber es erging ihm wie dem reichen Mann, er dachte überhaupt nicht daran, sich sagen zu lassen, wie er sie wieder zur Ruhe bringen sollte, wenn er sie einmal in Gang gesetzt hatte.
Als er aufs Meer hinauskam, beschloß er, die Mühle in Betrieb zu setzen, und sie mahlte zuerst grobes Salz und dann feines Salz, als er genug vom groben hatte. Aber als er so lang gemahlen hatte, daß nur noch eine Planke über Wasser war, wollte er die Mühle abstellen. Er packte sie mit [123] beiden Händen und wollte sie festhalten, aber er brachte es nicht fertig, denn sie tat, als ob sie ihn nicht verstehen könnte, und lief genau so rasch weiter.
Da rief er eiligst die ganze Schiffsmannschaft zusammen, aber auch die konnte sie mit all ihrer Kraft nicht festhalten. Da fingen sie an von dem Salz auszuwerfen, aber sie konnten nicht so schnell auswerfen, wie die Mühle mahlte, und das Ende vom Lied war, daß das Schiff zu schwer ward und auf den Grund sank.
Die Mühle sank mit und wurde nicht abgestellt, so daß sie noch heutigentages läuft, und das kann man auch daran sehen: Wieviel Wasser auch ins Meer läuft, so bleibt doch das Meer immer gleich salzig.
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