7.
Das geschwätzige Weib.
(Aus Karelen.)

[48] Es waren einmal ein Mann und ein Weib. Das Weib war sehr geschwätzig, und was sie zu Hause erfuhr, das wusste sofort auch das ganze Dorf. Der Mann dagegen war ein guter Jäger und Fischer. Da geschah es, dass er einst auf einem seiner Streifzüge einen Schatz im Walde fand. Er fing nun an zu sinnen, wie er ihn ganz heimlich nach Hause schaffen könnte; denn sein Weib war so schwatzhaft, dass sie Alles wiedererzählte, was sie erfuhr. – Nun, wie sollte er sich da heraushelfen? – Er hatte an demselben Tage einen Hecht in der Reuse gefangen, und im Walde war ein Auerhahn im Sprenkel hangen geblieben; die beiden nahm er heraus und that jetzt den Auerhahn in die Reuse und den Hecht in den Sprenkel. Dann ging er nach Hause und sagte zu seiner Frau: »Im Walde habe ich einen Schatz gehoben; morgen wollen wir das Geld[48] nach Hause holen.« – »I, was du sagst! du hättest einen Schatz gefunden?« rief das Weib aus und wollte schnell ins Dorf eilen, um es zu erzählen. Aber der Mann liess sie nicht, und da es Schlafenszeit war, legten sie sich zu Bette, sodass sie nicht mehr fort konnte.

Die Nacht verging; am Morgen machten sich die Beiden bereit den Goldschatz zu holen und gingen in den Wald hinaus. Als sie beim Wandern ans Ufer des Teiches kamen, sagte der Mann zu seiner Frau: »Warte ein wenig; ich glaube, da hat sich was gefangen.« Und wie man den Fang besah, da steckte ein Auerhahn in der Reuse! Sie gingen dann eine kleine Strecke weiter, bis sie zu den Sprenkeln kamen; und siehe da! ein Hecht hatte sich im Sprenkel gefangen! Die Beute nahmen die Beiden mit und kamen bald an die Stelle, wo der Schatz lag. Den gruben sie aus und füllten ihre Tragkörbe mit dem Gelde; dann machten sie sich auf den Heimweg. – Als sie ins Dorf kamen und an den ersten Häusern vorübergingen, da brannte es schon dem Weibe auf der Zunge die Kunde zu verbreiten; doch der Mann hielt sie zurück. Bald konnte sie es aber gar nicht mehr aushalten, sondern bog in ein Gehöft ein; da ertönte plötzlich das Kläffen, Bellen und Heulen zankender Hunde auf dem Hofe, und der Mann rief seinem Weibe zu: »Geh nicht hin, liebe Frau; hörst du denn nicht, wie das Weib in dem Hause ihren Mann prügelt, dass er unter ihren Händen heult?« Da erschrak das Weib und ging nicht hinein; nun konnte der Mann ruhig seinen Schatz nach Hause schaffen, ohne dass die Leute im Dorfe etwas davon erfuhren.

Nun, es verging wieder eine Nacht. Aber als der Tag kam, hielt es die Frau nicht länger im Hause aus; sie lief ins Dorf und ging gerade in das Gehöft hinein, in welches sie gestern hatte eintreten wollen. Dort begann sie eifrig ihre Geschichte zu erzählen: »Wir haben einen Schatz[49] gefunden, im Walde haben wir einen Schatz gefunden! Mein Mann fand ihn dort vorgestern Abend; aber es war schon so spät, und er meinte das Geld nicht mehr fortbringen zu können. Da sind wir gestern an die Stelle gegangen und haben zwei Lasten voll Geldes heimgebracht; die waren so gross, – solche Körbe.« – »Sieh doch! wo habt ihr den Schatz gefunden?« fragte der Hauswirth. – »Dort, dort! in dem Walde dort!« erklärte eifrig das Weib. »Matti und ich wanderten allein durch den Wald und sahen erst nach den Fallen: da fand sich ein Auerhahn in der Reuse und ein Hecht im Sprenkel! die nahmen wir mit und gingen weiter ...« – »Du lügst!« rief der Hauswirth. »Du lügst immer! Wann fängt sich ein Auerhahn in der Reuse und ein Hecht im Sprenkel? Das wird dir kein Narr glauben!« – »Glaube du nur«, eiferte das Weib. »Wir haben den Schatz gefunden, wir haben ihn gewiss gefunden! Zwei Tragkörbe voll Geldes trugen wir gestern nach Hause und kamen gerade um dieselbe Zeit durchs Dorf, als dich dein Weib prügelte ...« – »Lass deine Lügen!« schrie der Hauswirth erbost und packte das Weib am Ohre. »Wann und wo hat mich meine Frau jemals geprügelt? Alles hast du gelogen, nichts ist wahr an deinen Worten! Geh deiner Wege, sonst ...!« – Das Weib wusste sich keinen bessern Rath, als schleunigst nach Hause zu laufen. Sie hatte nie mehr Lust über ihres Mannes Geschäfte im Dorfe zu schwatzen, sondern ward vorsichtig und bedachtsam in allen ihren Reden. Somit endet die Geschichte.

Quelle:
Schreck, Emmy: Finnische Märchen. Weimar: Hermann Böhlau, 1887, S. 48-50.
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