10. Abenteuer.

[205] Nun sollte auch die Güte der gewonnenen Gottesgabe probirt werden, und jeder der drei Freunde holte ein wenig von seinem Mehle herbei, um sich daraus einen Brei zu kochen. Aber siehe da! Der Wolf und der Bär fanden ihr Gericht nicht so schmackhaft, wie sie es gehofft hatten; es war eigenthümlich schwarz und grob und schmeckte[205] fade. Ganz niedergestimmt durch diese Entdeckung, begab sich der Bär zum Fuchs und fragte ihn um seinen Rath, wie der Brei schmackhafter zubereitet werden solle. Der Fuchs hatte eben sein Frühstück fertig gekocht und wollte sich's gut schmecken lassen. Neugierig guckte der Bär in den Topf und rief aus: »Aber hör mal, Gevatter, dein Brei sieht ja ganz hell aus, und der meinige ist schwarz und stachlig! Woher kommt denn das?« – »Ach was!« erwiderte der Fuchs; »mein Gebräu war im Anfange auch schwarz, aber ich habe das Mehl sorgfältig im Flusse gewaschen, davon ist der Brei so reinlich und hell geworden!«

Der Bär dachte erfreut, er könne es wohl ebenso machen; er eilte mit seinem Mehlvorrath an den Fluss und schüttete seinen ganzen Reichthum ins Wasser. Aber o weh! der Fluss schwemmte unbarmherzig das Mehl auf Nimmerwiedersehen fort, und des Bären Hoffnung auf schmackhafte Gerichte wurde buchstäblich zu Wasser!

Dem Wolf ging es nicht viel besser. Da ihm sein Brei durchaus nicht schmecken wollte, glaubte er, die Schuld liege an dessen Zubereitung, und er lief, ebenso wie der Bär zum Fuchs, um sich dort Rath zu holen; sein Mehl nahm er auf alle Fälle mit.

Der Fuchs war eben damit beschäftigt seinen Brei zu kochen, als der Wolf hereintrat und ihn um die Erlaubniss bat sein Mahl an dem Feuer des Freundes bereiten zu dürfen, damit er, der Wolf, dabei lerne. Freundlich gab der Fuchs solches zu, und beide stellten sich vor das Feuer, ein Jeder vor seinen Topf. – Der Fuchs hatte seinen Brei bald fertig, denn dieser hatte schon längere Zeit gekocht, und der Geruch stieg dem Wolf lieblich in die Nase. Er schaute in des Gefährten Topf hinein und rief verwundert aus: »Sieh doch, wie hell und köstlich dein Brei ist, und der meinige ist so schwarz und unappetitlich! Wie kommt das?« – »Das will ich dir sagen!« antwortete[206] der Fuchs. »Nachdem ich meinen Topf über eine recht lebhafte Lohe gehängt hatte, setzte ich mich über ihn auf die Stangen und liess das langsam schmelzende Fett aus meinem Schwanze in den Brei tropfen; davon ist er so gut geworden. Versuch es mal ebenso, vielleicht wird dein Gebräu dadurch besser.«

Der Wolf dankte erfreut für den guten Rath, und kletterte auf die Kesselstangen hinauf; aber als das Feuer hoch aufloderte, überlief es den armen Peter siedend heiss; er konnte es nicht mehr aushalten und plumps! fiel er von der Stange herab, mitten ins Heerdfeuer hinein.

Bis auf den heutigen Tag riecht der Wolf nach versengten Haaren, weil er sich im Feuer den Pelz anbrannte; beim Sturze verrenkte er sich auch die Schenkel, so dass er stets nur mit grosser Mühe sich umzuwenden vermag. Mit schmerzenden Gliedern arbeitete sich der arme Schelm endlich aus dem Feuer heraus und schmeckte trübselig seinen Brei: aber das war ein gar zu hässliches Gebräu, und er schlich sich an des Fuchses Tisch heran und bat: »Lieber Bruder, lass mich einmal deinen Brei kosten, ob er wohl anders schmeckt als der meinige!« Der Fuchs tauchte schnell und unbemerkt seinen Löffel in den Topf des Andern und reichte ihn dem Wolf mit den freundlichen Worten hin: »Nimm und iss, lieber Gevatter, dies ist von dem Allerbesten.« – Der Wolf kostete, ohne es zu wissen, sein eigenes Gebräu, und fand den Geschmack desselben ebenso unleidlich wie früher; er schüttelte den Kopf und meinte zuletzt, der Fehler müsse an seinem eigenen Gaumen liegen, und sagte mit bitterem Spott: »Unser Brei hat wohl gleichen Geschmack und gleiche Zubereitung, aber der Unterschied liegt in uns Zweien; – solch ein Essen taugt nicht für mich!«

Quelle:
Schreck, Emmy: Finnische Märchen. Weimar: Hermann Böhlau, 1887, S. 205-207.
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