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[303] 1. Quelle: Elie de St. Gilles, herausgegeben von W. Förster, Heilbronn 1876–82, V 1805–2055, zum Teil gekürzt. Der Elie de St. Gilles stellt nur eine Überarbeitung eines älteren Epos dar, dessen Entstehung in den Anfang des 13. Jahrhunderts fällt und das auch der nordischen Elissaga ok Rosamundu zugrunde liegt. Die Grundlage des Elie ist das Goldenermärchen (KHM 136 s. unter Nr. 5); Galopin, ein koboldartiges Wesen, entspricht dem Eisenhans des Märchens. Diesem kommt es zu, dem Helden Roß und Rüstung zu verschaffen, mit welchen er seine Adelsprobe ablegen muß. Um die Herkunft des dämonischen Rosses zu erklären, schob der Elicdichter eine Episode aus dem Meisterdiebmärchen ein (vgl. KHM 192, Bolte und Polivka: Anmerkungen zu Grimms Märchen, Leipzig 1913–18, III 379, Aarne: Verzeichnis der Märchentypen Nr. 1525). In modernen französischen Sammlungen findet sich die Pferdediebstahlsgeschichte gewöhnlich als die zweite der dem Meisterdieb gestellten Aufgaben u.a. an folgenden Stellen: Sébillot orale S. 112, Cosqin Nr. 70, Fleury S. 167, Revue des trad. pop. IX 343, XI 102. Zum Vergleich folge hier die entspechende Episode in der normannischen Version bei Fleury: »Ich wette,« sagte der Herr, der den Meisterdieb auf die Probe stellen wollte, »daß du mir meine Stute nicht stehlen wirst. Ich mache dich darauf aufmerksam, daß sie gut bewacht sein wird.« »Ihr schenkt sie mir, wenn ich sie Euch stehle?« »Mein Wort darauf. Aber ich bin sicher, daß du sie nicht stehlen wirst.« »Wir wollen sehen.« Die Stute wird drei Männern zur Bewachung anvertraut. Der erste steigt darauf, der zweite hält sich an der Mähne, der dritte am Schwanze fest. Der im Sattel ist mit einem geladenen Gewehr versehen. Eine zweifelhafte Gestalt, wie ein Bettler gekleidet, mit leidendem Gesichtsausdruck naht sich dem Trio. »Was tut ihr denn da, ihr Männer?« »Wir bewachen diese Stute seit heute morgen. Es heißt, jemand werde kommen, um sie uns zu stehlen, aber wir haben noch keinen Menschen kommen sehen.« »Das muß langweilig sein.« »Wahrhaftig, es ist nicht unterhaltlich. Wenn wir wenigstens etwas zu trinken hätten!« »Ich werde euch Äpfelwein im Wirtshaus holen,« sagte der sonderbare Fremde, »wenn ihr mir das Geld dazu geben wollt.« »Das können wir nicht abschlagen, Freund.« Man gibt ihm Geld, und kurz darauf kommt er vom Wirtshaus zurück mit einer Ladung Äpfelwein. Er hatte schlaffördernde Stoffe hineingemengt, aber nur in das eine Gefäß. Sie luden ihn ein, mit ihnen zu zechen. Er nahm an und goß sich von dem Äpfelwein ein, der nicht vermischt war, dann tat er, als wolle er sich entfernen. Die Wächter tranken ihre beiden Gefäße aus und fielen alsbald in tiefen Schlaf. Der Spitzbube kommt wieder. Er stößt Pflöcke in den weichen Boden und richtet es so ein, daß er den Sattel mitsamt dem Reiter aufhebt und in der Luft schwebend erhält; dann schneidet er die Zügel des Pferdes durch, bringt den Schwanz desselben frei und läßt das Tier hinter sich hergehen. Als die Wächter erwachten, waren sie sehr erstaunt, der eine hielt die Zügel ohne Roß, der[304] andere eine Handvoll Haare, der dritte fühlte sich auf dem Sattel in der Luft schweben, während die Stute fort war.
2. Quelle: Huon de Bordeaux ed. M.F. Guessard, Paris 1860, v. 3193 bis 3732 und 5395–5834, zum Teil im Auszug. Dem Huonepos, das um 1220 verfaßt wurde, liegt das Märchen vom Bärensohn zugrunde (vgl. Voretzsch: Epische Studien I Halle 1900). Der Waldhausepisode des Märchens entspricht die Szene in Oberons Zauberwald, wo der Held zuerst feindlich mit dem Elben zusammenstößt, sich aber dann dessen Hilfe versichert. Der Palast des Emirs jenseits des Roten Meeres mit seinen vier Brücken tritt an Stelle der Unterwelt des Märchens, Gaudise an Stelle des die Jungfrau bewachenden Drachens oder Teufels. Auf die gleiche Grundlage wie der Huon geht die germanische Ortnitsage zurück, die freilich nach dem Muster der Werbungssagen umgestaltet wurde. Auch in der Nibelungensage tritt Alberich zunächst feindlich, dann hilfreich auf. Für das Bärensohnmärchen wird urfränkischer Besitz wahrscheinlich. Zum Bärensohnmärchen vgl. KHM 91, 166, Bolte-Polivka II 297, Aarne 301 und besonders: F. Panzer: Studien zur germanischen Sagengeschichte, München 1910–12. Oberons Wunschdinge sind gleichfalls märchenhafter Natur. Das Horn, das jeden, der es hört, singen und – wie in der späteren Prosafassung erst deutlich ausgesprochen wird – auch tanzen macht, entspricht der Tanzgeige des Typus vom Juden im Dorn (KHM 110, Aarne 592), die Verknüpfung des Elben mit dem Horn geht auf bretonischen Volks glauben zurück: auf feenartige Waldgeister, die sog. Kornikaneds, welche auf kleinen Hörnern blasen (vgl. Sébillot: Folklore de France I 268). Zur Feenepisode bei Oberons Geburt vgl. man das Dornröschenmärchen (s. unter Nr. 19). Eine moderne Variante des Bärensohnmärchens s. unter Nr. II 53.
3. Quelle: Berthe aus grans piés par Adenes li rois ed. par M. Scheler, Bruxelles 1874, V 289–677, 1753–2159 gekürzt. Das Werk des Spielmanns Adenet, das der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts angehört, nennt Léon Gautier (Épopée française II 10) den besten Roman der Verfallszeit. Der Berthasage liegt das Märchen von der untergeschobenen Braut zugrunde, das sich noch klarer in der Fassung der bayrischen Chronik von Weihenstephan hervorhebt. Die Chronik bewahrt die Märcheneinleitung: »Liebe durch Bild erweckt«, während das Epos dafür die aus Werbungssagen entnommene Versammlung der Barone einsetzt. Ferner findet in der deutschen Version die Unterschiebung märchenecht auf dem Wege zur Hochzeit statt, während Adenets Brautnachtszene den deutlichen Einfluß der Tristansage verrät. Mit der Aussetzung im Walde lenkt die Sage in den Genovevatypus über. Da moderne fränkische Märchen (KHM 135, Wolf DMS 19, Bechstein S. 203) am nächsten zur Berthasage stimmen, so wird die Entstehung der letzteren auf fränkischem Boden wahrscheinlich, das Märchen von der untergeschobenen Braut ist also ebenso wie das vorige zum urfränkischen Besitz zu rechnen. Aus der Mißgestalt Berthas glaubte man früher auf eine mythische Ableitung der Sage schließen zu dürfen, indem man ihre difformen Füße mit ähnlichen Abnormitäten des oberdeutschen Spinndämons Perchtha in Verbindung brachte. Eher erklären sich die breiten Füße aus dem Märchen selbst, in dessen meisten Varianten die ins Wasser[305] geworfene echte Braut als Ente auftritt. Ein weiterer Zweig des Märchens läßt sich in Saxos Dänengeschichte, ein dritter im Kap. 12 der Volsungasaga nachweisen, auch ein vierter zeigt unverkennbare Beziehungen zur germanischen Heldensage, der ganze Kreis darf also wohl schon der germanischen Völkerwanderungszeit zugewiesen werden. Zum Märchen vgl. KHM 11, 13, 89, 135, 189 mit den Anmerkungen bei Bolte-Polivka, Aarne 403, und namentlich Arfert: Der Märchentypus von der untergeschobenen Braut, Rostocker Diss. 1897. Zur Berthasage vgl. A. Feist: Zur Kritik der Berthasage, Marburg 1886, G. Paris: Hist. poétique de Charlemagne. Moderne französische Fassungen sind am besten im Osten und in der Bretagne erhalten, gegen Süden zu nehmen sie an Klarheit ab. Vgl. unter Nr. 13 f, 15 c, II 11, und II 34.
4. Quelle: Partonopeus de Blois, ed. G.A. Crapelet, Paris 1834, V 709 bis 1560, 1900–1946, 4342–4556 stark gekürzt, mit teilweiser Benutzung der Übersetzung von A.v. Keller: Altfranzösische Sagen, Heilbronn 1876 S. 332 ff. Das Epos, das der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts angehört, erfreute sich im Mittelalter großer Beliebtheit. Es wurde von Konrad v. Würzburg ins Mittelhochdeutsche übertragen und bot auch die Vorlage zu einer aisld. Saga. Vgl. Kölbing: Germanische Studien II 119, Look: Straßburger Diss. 1881, Trampe-Bödtker: P. de Blois, Kristiania 1904. Die Quelle des Epos war das Märchen von Amor und Psyche, dessen älteste literarische Variante aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. stammt. Vgl. KHM 88, Bolte-Polivka II 229, Aarne 425, R. Reitzenstein: Das Märchen von Amor und Psyche, Leipzig-Berlin 1912 und S.-Ber. Heidelberger Akademie 1914, E. Tegethoff. Rheinische Beiträge zu germanischer Philologie und Volkskunde, Nr. 4, Bonn 1922. Während in der spätantiken Fassung wie auch in den meisten volksmäßigen Varianten des Märchens der Elbe männlich, der menschliche Teil aber weiblich ist, wurde im Mittelalter das Verhältnis der Geschlechter umgekehrt: der neugierige Lauscher ist zum Manne geworden. Diese Umdrehung wurde durch den Zeitgeschmack und durch den Einfluß einer verwandten Märchengruppe hervorgerufen, über diese s. unter Nr. 15 a. Das Psychemärchen gehört zum großen Sagenkreis von der gestörten Mahrtenehe, zu diesem vgl. noch unter Nr. 7. 15 a, b, 30, 33 und II 13. Der Ursprung der ganzen Gruppe dürfte mit Laistner (Rätsel der Sphinx, Stuttgart 1889) in Alptraumvorstellungen zu suchen sein. Das übertretene Sehverbot begegnet im neufranzösischen Märchen noch bei Bladé I 15 und bei Fleury S. 135. Die entsprechende Stelle bei Fleury lautet folgendermaßen: Als er (der Elbe, der hier in Tiergestalt auftritt) nachts in der Finsternis bei ihr (seiner menschlichen Geliebten) lag, schien es ihr, als habe er nicht mehr sein abschreckendes Äußeres. Eines Nachts konnte sie sich nicht mehr halten, sie beschloß, sich zu vergewissern. Sie erhob sich ganz leise und ging mit bloßen Füßen hin, eine Kerze zu suchen, und, überzeugt, daß ihr Gatte fest schlief, betrachtete sie ihn. Er war der schönste Prinz von der Welt, nie hätte sie gewagt, so viel Schönheit und Grazie für ihren Gatten zu erträumen. In ihrer Freude machte sie eine Bewegung, ein heißer Talgtropfen fiel auf das Gesicht des Schläfers und er erwachte. »Deine Neugier hat uns beiden bitter weh getan. Jetzt muß ich fort!«[306]
Die in volksmäßigen Fassungen der Katastrophe folgenden Formeln hat der mittelalterliche Dichter nicht verwertet.
5. Quelle: Le roman de Robert le diable ed. Löseth, Paris 1903 (in Soc. des. anc. textes), V 1705–1841, 2026–2088, 2213–2235, 3051–3093, 3440–3500, 4465–4513, zum Teil gekürzt, mit Benutzung der Übersetzung von A.v. Keller: Altfranzösische Sagen S. 234 ff. Die Sage von Robert dem Teufel baut sich auf das Goldenermärchen auf. Zu diesem vgl. KHM 136, Bolte-Polivka III 94, Aarne 502 und besonders die erschöpfende Analyse von F. Panzer: Hilde-Gudrun, Halle 1900. In den Vorgängen des Romans ist die Märchenhandlung leicht erkennbar: das dreitägige Turnier des Märchens ist zur dreimaligen Sarazenenschlacht, der hilfreiche Eisenhans zum Engel, die verächtliche Behandlung des Gärtnerburschen zum Narrentum Roberts, das »Hennenhaus« endlich zur Hundehütte unter der Stiege geworden. Die Nebenbuhler des Märchens verkörpert der Seneschall, dessen betrügerischer Versuch aus einem anderen Märchenkreise, dem von den beiden Brüdern (KHM 60) stammt. Das Ganze ging in den Kreis der Legende über und schmückte sich mit Wundern und Erscheinungen. Zur Sage vgl. du Méril: Etudes sur quelque points d'archéologie S. 273 ff. und bes.: Breul: Sir Gowther, Oppeln 1886. Die Tatsache, daß die Kreuzzüge noch nicht als Mittel zur Sühne erwähnt werden, läßt die Entstehung der Sage am Ende des 11. Jahrhunderts wahrscheinlich werden, während die ältesten Handschriften erst dem Ende des 12. Jahrhunderts angehören. Der von einem pikardischen und einem wallonischen Bearbeiter überlieferte Text war wohl ursprünglich normannisch. Das Goldenermärchen ist in neufranzösischen Sammlungen häufig, mehrere davon (Luzel II 296, Vinson S. 56, Revue des trad. pop. IX 173) zeigen noch die im Robert beobachtete Verbindung mit der Verräterepisode des Brüdermärchens. Die Flucht des unerkannten Helden erscheint bei Pineau S. 11, Carnoy: Français S. 43, Cosquin 43 und Luzel II 296, die Verwundung bei Cosquin 12 und in den deutschen Varianten, die überhaupt das Märchen treuer bewahrt zu haben scheinen. Eine Vergleichung der deutschen mit den französischen Varianten sowie mit den mittelalterlichen Bearbeitungen des Goldenerstoffes gibt der Vermutung Raum, daß auch das Goldenermärchen schon fränkischer Urbesitz war.
6. Quelle: Perceval le Gallois ou le Conte du Graal p.p. Ch. Potvin, Tome II: le poème de Chrestien de Troyes Vers 4173–4605. Das Geheimnis des Grals ist von der Wissenschaft noch keineswegs enthüllt. Abzulehnen ist wohl die Ansicht Birch- Hirschfelds (Die Sage vom Gral, Leipzig 1877), der die Sage nur aus christlich-legendarischen Quellen erklären möchte. Eher ist von der keltischen Heimat Parzivals auszugehen und der Gral mit dem Becken von Diwrnah, das niemand ungesättigt entläßt, dem Korb Gwyddneus, der Pfanne mit den Tellern von Rhegynydd Ysgolhaig zu vergleichen, freilich hat dann später eine Verschmelzung dieser heimischen Sagen und Märchen mit der christlichen Legende stattgefunden (so E. Wechßler, Halle 1898). Ob man diese speisespendenden Gefäße über das keltische hinaus mit L.v. Schröder (WSB 1662, 1911) an altarische Mythen von der Sonne als Breitopf annähern darf, bleibe dahingestellt. Jedenfalls dürfte die Gralsvorstellung[307] auf die gleiche Wurzel zurückgehen wie das Märchen vom süßen Brei (KHM 103, vgl. Bolte-Polivka II 438, Aarne 565). – Der Parzivalsage dagegen liegt ein keltisches Dummlingsmärchen zugrunde und der Besuch in der Gralsburg ist zweifellos als eine Unterweltsfahrt aufzufassen, näheres über dieses Märchen wird sich kaum mehr angeben lassen, und das im 19. Jahrhundert gesammelte Peronnikmärchen (unten Nr. II 35) ist kaum mit V. Junk (WSB 1684, 1911) als die Grundlage der Parzivalsage anzusehen, sondern als ein Nachklang derselben. Zur Parzivalsage vgl. besonders Miß J. Weston: The legend of Sir Perceval, London 1906–09 = Grimm Library 17, 19. – Weitere Märchenmotive in Chrestiens Parzival sind die von der Königstochter, die nicht lachen kann (2230 ff. zu KHM 64), die Lehren Gurnemanz' (2831 ff. s. unter Nr. II 36), die drei Blutstropfen (5565 vgl. Bolte-Polivka I 462), die Kundryepisode (5981 ff.; vgl. Maynadier: The Wifes of Bath Tale, London 1901), das wunderbare Bett (9191 ff. zu KHM 4) und die Befreiung der Jungfrauen aus dem Chastel merveil (vgl. Chrismann in PBB XXX).
7. Quelle: Christian von Troyes: Yvain, herausgegeben von W. Förster-Romanische Bibl. V, Halle2 1902, Vers 747–2773 im Auszug. Der Iwein gehört mit dem Parthonopier, dem Lanval und dem Yonec zu dem im Mittelalter weit verbreiteten Stoff von der gestörten Mahrtenehe. Die Urform erzählte wohl, daß der Held nach Überwindung des Wächters in die Unterwelt eindringt und dort die Liebe einer Elbin erwirbt. Bald aber treibt ihn die Sehnsucht auf die Menschenwelt zurück und die Elbin entläßt ihn, doch mit dem Verbot, eine gewisse Zeitgrenze zu überschreiten. Wie in allen Märchen dieser Art, übertritt er das Verbot und verliert dadurch die Elbin, die er nach mühevoller Wanderung im Seelenlande wiedersuchen muß. Chrétien hat den Stoff dadurch bereichert, daß er den Wächter zum Gatten der Elbin machte, wodurch er Gelegenheit bekam, das Motiv von der Matrone von Ephesus (vgl. Grisebach: Die Wanderung der Nov. von der treulosen Witwe d.d. Weltlit. 1886) einzuflechten. Die Donnerquelle im Walde von Broceliande lebt noch heute in bretonischer Volkssage fort (Souvestre II 78), sie entstammt einer Lokalsage, die auch in der Schweiz (Pilatussee) und Tirol begegnet, also wohl urkeltisch ist. (Vgl. ZVfVkk XVII 56, Sébillot: Folkl. I 243, II 223, 372, 464, Rdtp XVI 451). Zu den Quellen des Yvain vgl. Baist in ZfromPhil. XXI 402 und J. Brown: Iwain Boston 1903. Nahe verwandt ist der Stoff des »beaus desconnëus« und die Freudenhofepisode des Erec (vgl. Philippot in Romania XXV 258).
8. Quelle: Prosa des MS 781 der Bibl. nat. Paris, abgedruckt von H.A. Todd in Publications of the modern language association IV 95, Baltimore 1889. Leicht gekürzt. Es bestehen vier Fassungen der Schwankindersage, deren älteste nach mündlicher Überlieferung in den Dolopathos des Lothringers Joh. de Haute Seille aufgenommen wurde, während die hier übersetzte Prosa der jüngsten Version, die aber auch noch der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts angehören dürfte, entspricht. Über die verschiedenen Fassungen vgl. G. Paris in Romania XIX 314. Das der Sage zugrunde liegende Märchen ist eine Komposition aus zwei ursprünglich getrennten Typen. Das eine, der Typus[308] von der verleumdeten Frau oder kurz der Genovevatyp begegnet schon sehr früh in germanischen Ländern und es steht nichts im Wege, für ihn germanischen Ursprung zu reklamieren. Zu diesem Typ, dem die Fortnahme der Kinder und die Unterschiebung der Hunde, dann auch die Errettung der Mutter vor dem Feuertode entstammen, vgl. KHM 3, 9, 31, 49, 96 und die Anmerkungen Bolte-Polivka's, Aarne 706, 710. Das Märchen von den in Tiere verwandelten Knaben und ihre Erlösung durch ihre Schwester, das hier in seinem letzten Teil verblaßt ist, dürfte keltischen Ursprungs sein. Der Name Helias wird am einleuchtendsten aus kelt: ealadh »Schwan« gedeutet, keltisch ist das Circemotiv der Tierwandlung durch die Hexe (hier gleichfalls verwischt), keltisch endlich die Manifestation der Lichtgötter in Schwangestalt. Zu dieser vgl. besonders Blöte in ZfdA 38, 272. Eine irische Fassung des Schwankindermärchens »the fate of the children of Lir« liegt aus dem 17. Jahrhundert vor, vgl. Loth in Romania XXI 62. Zu deutschen Fassungen dieses Märchens vgl. KHM 9, 25, 49 mit Anmerkungen, Aarne 451, eine bretonische unten Nr. II 34. Zum Genovevatypus vgl. noch unten Nr. 9, 11 f, II 6, II 21. Die Einleitung der Beatrixfassung entstammt der bekannten Welfensage. Zu dieser vgl. DS 515, 517, 571, 578, Liebrecht: Zur Volkskunde S. 21 (französische Versionen: Rdtp XIII 680, XXIV 52, Béranger-Feraud S. 215). Die Schwankindersage wurde sekundär an die zum Kreise von der gestörten Mahrtenehe gehörige Lohengrinsage angeschlossen.
9. Quelle: Oeuvres poétiques de Philippe de Beaumanoir, herausgegeben von H. Suchier in Soc. d.a.t., Paris 1884. I. Band: La Manekine, Vers 49–1000 und 1161–3883 im Auszug. Der versuchte Inzest des ersten Teiles entspricht dem Allerleirauhmärchen (KHM 65), während der zweite Teil, getreu den volkstümlichen Varianten folgend, das Märchen vom Mädchen ohne Hände erzählt, das mit dem Schwankindermärchen und der Kreszentiasage in den Kreis der geduldigen Frau gehört. Über die mittelalterlichen Parallelen des Stoffes vgl. die Einl. Suchiers und BP I 298. Eine moderne Version s. unter II 6.
10. Quelle: Le roman de Renart p.p. E. Martin, Straßburg 1889, Branche III. Das älteste europäische Denkmal für volkstümliche Tiermärchen ist der um 1148 in Flandern entstandene Ysengrimus; um 30 Jahre später wird von Martin die Sammlung französischer Tiermärchen angesetzt, die dem übrigen abendländischen Tierepos als Quelle diente. Die Herkunft der mittelalterlichen Tiermärchen ist eine verschiedene. Das Märchen vom Fischfang mit dem Schwanze ist ein nordgermanisches ätiologisches Märchen, das den kurzen Schwanz des Bären, der im Mittelpunkt der nordischen Tiermärchenkette als Gegenspieler des Fuchses steht, erklären will. Der Bär wurde westeuropäisch unter dem Einfluß der äsopischen Fabel durch den Wolf ersetzt. Zum Märchen vgl. Krohn: Journal de la société finno-ougr. VI 25, Voretzsch: ZfromPhil XV 348, Bolte-Polivka II 113, Aarne 2. Das Märchen ist im Epos sowie in volkstümlichen Fassungen in drei Formen überliefert, von denen die des Renart III die mittlere darstellt. Die erste Form kennt keinen Eimer, die dritte vergißt das Einfrieren und läßt den Eimer mit Steinen beschweren. Zu den vorhergehenden Episoden vom Fuchs[309] und den Heringen vgl. Krohn VI 46, Aarne 1, zur Wolfstonsur: ZfromPhil XV 344. Weitere Tiermärchen s. unter 11 c, 17 a, c, 23 a, II 16, 45, 48.
11. a) Quelle: Jacques de Vitry: The exempla, ed. T.F. Crane, London 1890, Nr. 13. Vgl. die Anmerkungen bei Crane, Oesterley zu Pauli 398. Ferner französisch bei Marie de France Fables 53, Rabelais III 34 Sébillot: Auvergne S. 43, Annales des trad. pop. 1888.
b) Quelle: ebd. Nr. 109. Parallelen zu dieser im Mittelalter weitverbreiteten jüdischen Parabel vgl. Crane zu 109, Oesterley zu Gesta Roman. 80, zu Pauli 682, Islaendsk Aev. v. Gering II 247, Euling zu Kaufringer 1, Reinh. Köhler: Kleine Schriften I 141, 578, 581, v.d. Leyen: Das Märchen2 S. 104, Amalfi in ZVfVkk V 76, Mélusine III 258, Archiv für Religionswiss. XII 273, Reinh. Köhler in ZVfVkk VI 58 zu Gonzenbach 92. Neufranzösisch in Luzel: Légendes chrétiennes I 282.
c) Quelle: ebd. Nr. 174. Die äsopische Fabel läßt sich über Gregor v. Tours (IV 9), die Predigten, das Tierepos (Renart XIV 647, XVI 704) und Lafontaines Fabeln (III 17) bis in moderne Märchensammlungen verfolgen. Vgl. Bolte-Polivka zu KHM 73, Aarne 41.
d) Quelle: Etienne de Bourbon: Anecdotes historiques ed. Lecoy de la Marche, Paris 1877 Nr. 26. Vgl. Bolte-Polivka III 463 zu Grimms Kinderlegenden Nr. 6. In modernen Fassungen meist mit dem Motiv vom grünenden Stab verbunden vgl. Luzel: Lég. chrét. I 204, Aarne 756.
e) Quelle: ebd. Nr. 86 vgl. KHM 152, Bolte-Polivka III 214, Aarne 922.
f) Quelle: ebd. Nr. 136. Die legendenhafte Fassung des Märchens von der unschuldig leidenden Frau, die man meist Kreszentiasage nennt, war im Mittelalter sehr verbreitet; vgl. die mhd. Kaiserchronik. Die Erzählung drang auch in den Sagenkreis von Karl dem Großen: das Epos Macaire und die Sage von Hildegard in Grimms DS 442. Vgl. Voretzsch: Epische Studien S. 297, G. Paris: Hist. poétique de Charlemagne S. 396. Wallenskjöld: le conte de la femme chaste convoitée par son beau-frère Helsingfors 1907.
12. Quelle: Le roumans de Cleomades par Adenes li rois p.p., A.v. Hasselt, Brüssel 1865. Vers 1473–2500, 2648–3976, 4527–5653 im Auszug. Der mittelalterliche Fliegerroman ist arabischen Ursprungs, er wurde von den Arabern mit nach Spanien geführt, von wo ihn wahrscheinlich Blanca von Castilien, die Tochter Ludwigs des Heiligen, im Jahre 1275 nach Frankreich brachte und dem brabantischen Spielmann übergab. Die Urform des Märchens findet sich in Tausendundeiner Nacht, vgl. Chauvin V 221 Nr. 130 »Le cheval enchanté« und Clouston: Popular Tales and fictions I 373, dort auch weitere Parallelen. Bolte-Polivka II 134 zu KHM 77 a.
13. a) Quelle: Wilh. Hertz: Spielmannsbuch V. 237 ff., danach Prosa. Vgl. dazu die Anmerkungen a.a.O.S. 420, ferner ZfromPhil. IV 88, Romania XXVI 449, Musaffia WSB 119, Gautier S. 885, Magnum spec. exempl. I 286, VIII 84, Cäsarius v. Heisterbach I 17. Literatur: H. Wächter: Der Springer U.l. Fr., Erlanger Diss. 1899. Textabdruck von Förster in Rom. II 315. Der Stoff entstammt einer Notiz Augustins aus einer verlorenen Schrift Senecas.
[310] b) Quelle: Adgar: Marienlegenden ed. Neuhaus in altfrz. Bibl. IX Nr. 5 S. 20. Vgl. E. Wolter: Der Judenknabe, Halle 1879.
c) Quelle. M. Méon: Nouveau Recueil de Fabliaux et Contes, Paris 1823, II 154, »de la Sougretaine«. Ausführliche Nachweise zu dem durch Maeterlinck wieder bekanntgewordenen Stoff gibt Toldo in ZVfVkk XV 129. Vgl. H. Watenphuhl: Die Geschichte der Marienlegende von Beatrix, Göttinger Diss. Neuwied 1904.
d) Quelle: ebd. II 443.
e) Quelle: ebd. II 331. Gröber bezeichnet die Legende mit dem Schlagwort »Alaine«. Zum Stoff des Gang nach dem Eisenhammer vgl. E. Cosquin: La légende du page de St. Elisabeth 1903, ZVfVkk XIII 107, XV 457, XVI 278, XXI 406, Chauvin VIII 143, Gesta Romanorum 283.
f) Quelle: ebd. II 256. Schlagwort: »Seneschal«. Eine eigentümliche Wendung des Märchens von der untergeschobenen Braut, dem der legendarische Schluß unursprünglich sein dürfte.
14. a) Quelle: Aucassin und Nicolette in der Übersetzung von Wilh. Hertz in seinem Spielmannsbuch3, Stuttgart, Berlin 1905, S. 277 ff., stark gekürzt. Der Chantefable, die zu Anfang des 13. Jahrhunderts wahrscheinlich im Hennegau geschrieben wurde, liegt kein eigentliches Märchen zugrunde, wohl aber enthält sie eine Reihe von Märchenmotiven. Torelore ist ein Gemisch von Schildbürger- und Schlaraffenland, das Land Lirumlarum des deutschen Märchens, die verkehrte Welt; das Wort ist ein Trällerlaut, der etwas Lustiges, Leichtsinniges, Törichtes und Verdrehtes bedeutet (W. Hertz). Über das Männerkindbett, das keineswegs nur ein Märchenscherz ist, vgl. die Anmerkungen im Spielmannsbuch S. 443 ff., v.d. Leyen: Das Märchen2 S. 73. Die »Couvade« ist die einzige Erinnerung an die iberische Urbevölkerung Südfrankreichs. Die Spielmannsverkleidung ist ein Motiv aus Märchen von der vergessenen Braut, sie kommt auch in der Sage vom »Grafen im Pfluge« vor, vgl. Bolte-Polivka III 517. Märchenhaft ist endlich auch die Form der Chantefable, die Fortführung des Textes durch gelegentlich eingestreute Verse.
b) Quelle: Nouvelles françoises du XIIIe siècle p.p., L. Moland et C. d'Héricault, Paris 1856, S. 3 ff., »Li contes dou roi Constant l'Empereur«. Leicht gekürzt. Die Motive von der Verfolgung des Neugeborenen durch seinen zukünftigen Schwiegervater um einer Weissagung willen (vgl. Aarne 930) und von der Vertauschung des Uriasbriefes mit dem Heiratsbefehl dient in modernen Märchen meist als Einleitung zum Teufel mit den goldenen Haaren (so Luzel I 86 und Rdtp V 728; vgl. BP I 276 zu KHM 29, dort I 286 weitere Literatur zur Konstantinsage). In Deutschland wurde die Sage auf Heinrich III. übertragen (DS1 480), die Hamletsage (vgl. Schick: Corpus Hamleticum) unterscheidet sich dadurch, daß der Held selbst die Briefe vertauscht. Zu den älteren romanischen Fassungen des ursprünglich orientalischen Stoffes vgl. besonders W. Benary in ZfromPhil. XXXVII 617.
c) Quelle: ebd. S. 35 ff., »Li amitiez de Ami et Amile«. Gekürzt. Die Sage spiegelt das Brüdermärchen wieder (BP I 528 zu KHM 60, Aarne 303), die Becher entsprechen den Lebenszeichen, die Vertretung[311] im Ehebett mit dem trennenden Schwert stimmt genau zum Märchen, während die Verwandlung durch die Hexe durch die Krankheit des Amicus ersetzt ist. Zu den verschiedenen Fassungen der Sage vgl. Kölbing in PBB IV 271, ferner Schwieger: Die Sage von A. und A., Berliner Progr. 1885. Eine moderne Fassung s. unter II 49. Die Heilung des Freundes mit dem Blute der Kinder stimmt zum Märchen vom getreuen Johannes (Bolte-Polivka I 42 zu KHM 6, Aarne 516), s. unter II 20. Verwandt sind die Sagen von Alexander und Ludwig von Olivier und Artus und von den Jakobsbrüdern.
d) Quelle: ebd. S. 85 ff., »Li contes dou roi Flore et de la bielle Jehane«. Stark gekürzt. Das Märchen von der Wette auf die Treue der Frau (Cymbelinetyp) liegt auch dem Comte de Poitiers, dem Guillaume de Dôle und dem Roman de la Violette zugrunde. Shakespeare folgte der Fassung Boccaccios Dec. II 9. Vgl. G. Paris in Romania XXXII 481. Aarne 882. Eine moderne Version s. unter II 14.
15. a) Prosabearbeitung der Übersetzung in Versform von Wilh. Hertz: Spielmannsbuch3 S. 88 ff. Der Lai der Marie de France gehört in den Märchenkreis von der gestörten Mahrtenehe (s. oben Nr. 4), doch ist der weibliche Elbe hier märchenecht. Der Lanval entspricht genau dem deutschen Märchen vom »König vom goldenen Berge« (KHM 92). Vgl. Bolte-Polivka II 318, Aarne 400, die Anmerkungen bei W. Hertz S. 368 ff., Warnckes Ausgabe der Lais der Marie in Suchiers Bibliothecanormannica mit den Anmerkungen von Reinh. Köhler S. LXXXI ff. und namentlich die Analyse von F. Panzer in der Einleitung zum Seyfried de Ardemont des Albrecht von Scharffenberg in der Bibl. des Stuttgarter Lit. Ver. 227.
b) Quelle: Prosa nach der Versbearbeitung von W. Hertz im Spielmannsbuch S. 106 ff., dazu die Anmerkungen S. 379 ff. Das Märchen stellt eine wahrscheinlich indische Variante des Kreises von der gestörten Mahrtenehe dar. Bolte-Polivka II 260, Aarne 432. Der tragische Schluß und die Vaterrache sind nicht märchenhaft. Der Stoff erscheint mehr als 500 Jahre später wieder in der französischen Literatur, s. unten Nr. 30.
c) Quelle: Prosa nach der Versbearbeitung von W. Hertz a.a.O.S. 157 ff., dazu die Anmerkung S. 401, R. Köhler zu Warncke S. LXI. Das Märchen, welches das Thema von der untergeschobenen Braut (KHM 11, 13, 135, 141, 89, 198, Aarne 403, s. oben Nr. 3, 13 f) um das Griseldismotiv (Aarne 887) bereichert, lebt in modernen Volksliedern fort (Child III 63. Danm. g. Folkeviser V 13). Der Lai muß vor 1199, dem Jahre, in welchem das Erzbistum Dol aufgehoben wurde, entstanden sein. Zu dem in der Einleitung angeschlagenen Welfenmotiv s. oben Nr. 8. Zu den Pflanzennamen der Heldinnen vgl. J. Grimm. Kl. Schr. II 366. Aus modernen französischen Märchen stellen sich dazu: boule de neige (Rdtp V 725), fleur d'épine (Luzel I 119), épine-blanche (Souvestre I 100), perceneige (Bolte-Polivka II 204).
d) Quelle: Prosa nach der Versbearbeitung von W. Hertz a.a.O.S. 171 ff., dazu die Anmerkung S. 407, R. Köhler zu Warncke S.C. An das Thema vom Graf von Gleichen (G. Paris: La poésie du moyen âge, Paris 1895, II 109) heften sich eine Anzahl von Märchenmotiven,[312] darunter das schon der Antike bekannte vom Schlangen kraut (vgl. Bolte-Polivka I 128 zu KHM 16, Aarne 612). Dem zweiten Teil des Lai liegt ebenso wie dem Roman von Ille et Galeron ein keltisches Sneewittchenmärchen zugrunde (vgl. A. Nutt in Folklore III 26, Bolte-Polivka I 455 zu KHM 53, Aarne 709). Im Neufranzösischen ist das Sneewittchenmärchen selten, eine champagnische Fassung (Rdtp V 725) folgt genau der Grimmschen, während in der bretonischen (Sébillot I 21) der Spiegel fortfällt und der Zauberschlaf durch »bas enchantés« bewirkt wird. An Stelle der sieben Zwerge treten »trois petits Lapons« bzw. drei Brüder.
16. Quelle: Li roumans du Chastelain de Coucy et de la dame du Fayel ed. Crapelet, Paris 1829, Vers 7052 bis Ende mit geringen Kürzungen. Über die mutmaßlich indische Herkunft dieses im Mittelalter weit verbreiteten Stoffes vgl. Clouston: Popular Tales and Fictions II 187. Verwandt ist der lai d'Ignaurès. Boccaccio (IV 9) folgte der provençalischen Version, die den Stoff auf Guillem de Cabestaing übertrug (diese bei Bérenger-Feraud: Contes popul. des Provençaux, Paris 1887, S. 189). Deutsch außer bei Konrad von Würzburg in Volksballaden vom Brennenberger (DS 499, 500, Wunderhorn II 229, Uhland 75; Literatur: A. Kopp in Quellen u. Forschg. z. dtsch. Vkk. II, Wien 1908) Reufranzösische Fassungen: Rdtp XII 436 XIV 46. Italienisch auch in den Cento nov. aut. 62.
17. a) Quelle: Die Fabeln der Marie de France, herausgegeben von K. Warncke in Suchiers Bibliotheca normannica Bd. 6 Nr. 22. Die äsopische Fabel findet sich mehrfach in modernen Märchensammlungen, meist mit einem angehängten ätiologischen Schluß von der Entstehung der Hasenscharte. Vgl. Wallonia I 54, Rolland: Faune populaire I 87, Revue des trad. pop. VI 314, X 576. – Aarne: Verz. Nr. 70. Dähnhardt hat die Fabel ZVfVkk XVII 9 untersucht.
b) Quelle: ebd. 57. Es ist die älteste abendländische Form des wahrscheinlich orientalischen Märchenkreises von den drei törichten Wünschen. Vgl. KHM 87 und die Anmerkungen Bolte-Polivka II 210, Aarne 750 und besonders Bédier: Les fabliaux, Paris 1893, S. 177 zum Fabliau von den Quatre souhaits St. Martin.
c) Quelle: ebd. 89. Die älteste Fassung des Märchens vom Wolf und den sieben Geislein, vgl. KHM 5, Bolte-Polivka I 37, Aarne 123. Weitere Parallelen zu Marie de Frances Fabeln s. in den Anmerkungen zu 13 a, II 18, 22 b.
18. a) Quelle: Recueil général des Fabliaux p.p. A. de Montaiglon et G. Raynouard, Paris 1872, I 188 Nr. 17 »le dit des perdriz«. Zur Stoffgeschichte des Schwankes, den Bédier (a.a.O.S. 275) für einen Hauptvertreter des echten »esprit gaulois« erklärt, vgl. Bolte-Polivka II 129 zu KHM 77, Oesterley zu Pauli 364, Bédier a.a.O.S. 422. (Neufranzösische Fassungen bei Bladé III 216, Orain S. 202, Sébillot: Folklore III 216, La Tradition III 120, 132, Chapelot S. 67.)
b) Quelle: ebd. I 132 Nr. 10 »de Brunain la vache au prestre«, vgl. die Parallelen bei Bédier und Bolte zu Montanus 108, ZVfVkk XVI 288, Aarne 1735.
c) Quelle: Montaiglon-Raynouard IV 57 Nr. 93, »De Berengier au lonc cul«. Parallelen, auch moderne, gibt Bédier a.a.O.
[313] d) Quelle: ebd. IV 166 Nr. 106, »De Constant du Hamel«. Orientalischer Ursprung. Parallelen bei Bédier S. 454. Verwandt ist der Schwank vom »Pfarrer im Schmalzkübel«, vgl. ZVfVkk XIII 414. Im Original rächt sich der Gatte an den Liebhabern seiner Frau noch dadurch, daß er ihre Frauen vor ihren Augen vergewaltigt.
e) Quelle: ebd. III 156 Nr. 74, »le Vilain mire«. Vgl. Bédier S. 476 und Crane zu Vitry Nr. 237. Gleichfalls orientalischen Ursprungs. Der Stoff ist durch Molières, »médecin malgré lui« bekannt. Öfter mit dem Stoff von der widerspensti gen Frau verbunden (s. unter II 22).
f) Quelle: ebd. III 265 Nr. 81, »le Vilain qui conquist paradis par plait«. Vgl. Bédier S. 476. Die »entrée frauduleuse« gehört zu KHM 81. Der Held ist ein echt französischer »malin«, der auch vor der himmlischen Obrigkeit keinen Respekt hat. Neufranzösische Parallelen sind: Rdtp IX 267, XIV 639, XVII 487, XXII 377, XXVI 301, Carnoy frç. 289, pic. 67, 139, Bladé III 93, Souvestre I 83, vgl. noch Bolte-Polivka III 303.
19. Quelle: Le roman de Perceforest, Druck von Galliot du Pré, Paris 1531 Tome III Chap. XLVI, Feuill. CXXVII f. und Chap. LV Feuill. CLV. Der Roman, der in den Jahren zwischen 1337 und 1390 verfaßt wurde, verwickelt Alexander den Großen in eine matière de Bretagne nach der herkömmlichen Art der Artusromane. In die Handlung eingeflochten ist das älteste Dornröschenmärchen, das wir kennen. Die Dreizahl der Dämonen, die gegenüber der Siebenzahl bei Perrault das Ursprünglichere darstellt, ist ebenso wie ihre Beziehung zum Schicksal dem klassischen Altertum entlehnt. Belege für das frühe Auftreten der tria fata auf galloromanischem Boden vgl. bei W. Hertz: Spielmannsbuch S. 350. Auch im neufranzösischen Volksglauben begaben und benennen die Feen die Kinder und spenden Hilfe bei Heirat und Geburt (Sébillot: Folklore I 443). Zur Kontrastierung des bösen Schicksalsdämons mit den übrigen Guten s. auch oben Nr. 2. Dem Turm, der ein Symbol für das Totenreich ist, entspricht in der Grimmschen Fassung (KHM 50) eine Dornenhecke, die Aussetzung in eine Dornenhecke begegnet auch in bretonischen Fassungen des »Mädchens ohne Hände« (s. unter II 6). Das Einziehen der Flachsfaser ist ebenso wie der Stich Brünhilds mit dem Schlafdorn und Sneewitchens Genuß des todbringenden Apfels eine Metapher für sterben. Fr. Vogt (in German. Abh. für Karl Weinhold) leitet das Dornröschenmärchen aus dem antiken Thaliamythus her, und auf antike Motive, bereichert durch keltisch-bretonische Vorstellungen, dürfte das vielumstrittene Märchen gewiß zurückzuführen sein, dessen Zusammenhänge mit der Sigrdrifaepisode der Siegfriedsage noch nicht geklärt sind. Die Grimmsche Fassung geht auf die Perraults von 1696 zurück, doch hat letztere ebenso wie die des Neapolitaners Basile von 1637 eine Erweiterung aus dem Kreise der unschuldig leidenden Königin angehängt. (Eine neufranzösische Fassung findet sich bei Dardy II 33, weiter entfernt steht ein bretonisches Märchen in Revue des trad. pop. XV 120.) Weitere Literatur zum Dornröschenmärchen vgl. Bolte-Polivka I 434 – Aarnes Verz. 410.
20. a) Quelle: Boltes Wiedergabe des lateinischen Textes aus J. Juniors Scala caeli, Lübeck 1476, fol. 116 b-118 a in ZVfVkk XXV 379.[314] Bolte stellt das Exempel mit Recht zum Märchen vom dankbaren Toten (vgl. Bolte-Polivka III 490, Aarne 505–507, ZfromPhil 37, 57, 129, Gerould: the gratefull death 1908, Herrigs Archiv 81, 141). In den modernen sowie in den übrigen mittelalterlichen Fassungen betrifft die erste Gabe den Loskauf eines toten Schuldners von seinen Gläubigern und die Beerdigung desselben, wofür der Geist des Toten den Helden, der von seinem Nebenbuhler ins Meer geworfen wird, gerettet, gespeist und schließlich zu seiner Gattin heimgeführt wird. Das Märchen vom dankbaren Toten ist vielleicht ägyptischen Ursprungs und begegnet zuerst in der hebräischen Literatur des 1. nachchristlichen Jahrhunderts. Es wurde ursprünglich selbständig erzählt und hat den Stoff von der losgekauften Jungfrau, mit dem es hier verbunden erscheint, erst nachträglich aufgenommen. Ferner verband sich der dankbare Tote mit dem Märchen vom goldenen Vogel (KHM 57) und von den zertanzten Schuhen (KHM 133). Die neufranzösischen Fassungen zeigen gewisse Eigentümlichkeiten, welche durch ein Kunstmärchen der Mme. de Gomez: »Jean de Calais« veranlaßt wurden, das im Jahre 1723 er schien. Das Märchen ist in Frankreich nur längs der atlantischen Küste aufgezeichnet. Die legendarische Fassung der Scala caeli lebt in einer bretonischen Legende (Luzel: Légendes II 40) fort, ferner vgl. die russische Version bei v. Löwis Nr. 48.
b) Quelle: Cranes Wiedergabe des lateinischen Textes aus J. Juniors Scala caeli, Ulm 1480, fol. 99 in Germ. XXX 203. Das Märchen ist nächst der verlorenen Vorlage des mndld. Walewijn die älteste europäische Version des orientalischen Märchens vom Wasser des Lebens. Vgl. Bolte-Polivka Anmerkungen zu KHM 57 und 97, besonders I 511, Aarne 551.
21. Quelle: Meister Franz Rabelais Gargantua und Pantagruel, übersetzt durch Gottlob Regis, München und Leipzig 1906. Die hier herausgehobenen Stücke aus I 3, 7 11, 16, 17, 25, 36, 37 sollen zeigen, daß dem Gargantua ein Märchen vom starken Hans zugrunde liegt. In vielen Varianten des Bärensohn wird gleichfalls ein überlanger Aufenthalt im Mutterleib erwähnt (vgl. Panzer a.a.O.), auch der deutsche »junge Riese« (KHM 90) reißt einen jungen Baum als Stecken aus und hält den auf ihn geworfenen Mühlstein für Sandkörner, welche die Hühnerherabwerfen, ebenso wie Gargantua die Stückkugeln für Traubenkerne und Kühfliegen. Die zweifellos germanische Vorstellung des ungeschlachten Riesen wurde nicht ohne Zutun des zum Grotesken neigenden keltischen Elementes und der burlesken Tendenzen der Spielleute – der Rainouard im Aliscans kann als Vorläufer Gargantuas gelten – zur unflätigen Verzerrung des 16. Jahrhunderts. Gargantua lebt im neufranzösischen Volksglauben fort, die größte Anzahl der in Frankreich noch lebenden Riesensagen knüpft sich an seinen Namen: vgl. Sébillot: Gargantua dans les traditions populaires, Sébillot; Folklore Reg. s. verbo und die Rubrik Gargantua in den meisten Jahrgängen der Revue des trad. pop. Auch zum Träger von Varianten des starken Hausmärchens ist Gargantua im französischen geworden. Eine moderne Variante des Märchens s. unter II 2. Weitere Parallelen zu Rabelais s. in den Anmerkungen zu 11 a, 24 a, II 38.[315]
22. a) Quelle: Oeuvres français de Bonaventure Desperiers p.p. L. Lacour, Paris 1856, 2. Band: Nouvelles recréations et joyeus devis S. 94 Nr. 20. Vgl. Bolte-Polivka II 561 zu KHM 120, Aarne 1697, 360. Älter ist die englisch-lateinische Fassung bei Bromyard. Dialogische Schlüsse sind neufranzösisch nicht beliebt, vgl. Petsch S. 85.
b) Quelle: ebd. S. 372 Nr. 124, vgl. Bolte-Polivka III 120 zu KHM 139, Aarne 1476.
c) Quelle: ebd. S. 241 Nr. 68. Der Schild bürgerschwank vom Mann, der sich für tot hält (Aarne 1313), kehrt unten Nr. II 30 f in anderer Gestalt wieder. Weitere Parallelen zu Desperiers s. unter 23 b, II 57 b. Nahe verwandt ist das Fabliau vom »Vilain de Bailleul« (MR IV 109).
d) Quelle: Le grand Parangon des nouvelles nouvelles comp. p. Nicolas de Troyes p.p. Emile Mabille, Paris 1869, S. 134 Nr. 33. Zum Stoff vgl. Bolte-Polivka I 411. Weitere Schwänke vom geprellten Teufel s. unten II 3, 38.
e) Quelle: ebd. S. 283 Nr. 53. Der Schwank gehört in den Kreis von den törichten Wünschen, s. oben Nr. 17 b. Zur Teilnahme der Helden am Tanz der Feen s. unten Nr. II 47. Parallelen zu Nicolaus von Troyes s. unten II 43, 44 b.
23. a) Quelle: la Fontaine: Fables, herausgegeben von A. Laun, Heilbronn 1877, S. 210 VI 10 »le lièvre et la tortue«. Die Fabel, die hier in gehobener Prosa wiedergegeben wird, enthält den verbreiteten Stoff vom Wettlauf der Tiere. Zu diesem vgl. Bolte-Polivka III 339 zu KHM 187, Aarne 275. v.d. Steinen führt ZVfVkk XXV 260 das Märchen kaum mit Recht auf einen lunaren Mythus zurück.
b) Quelle: ebd. VII 10, »la laitière et le pot au lait«. L's Quelle war die zwölfte Novelle von Desperiers »Nouvelles recréations«. Der Schwank ist übrigens weit verbreitet. Vgl. Bolte zu Montanus, S. 603, 658 und besonders Bolte-Polivka III 265 zu KHM 164, Aarne 1430. Zu einem verwandten Schwank ZVfVkk XXI 171.
24. a) Quelle: Béroalde de Verville: Le moyen de parvenir II 274. Zum Zeichendisput, der auf orientalische Quellen zurückgeht, vgl. Rdtp XXVI 179. Rabelais II 19, Rom. X 29. Der eine aufgehobene Finger bedeutet Gott Vater, die drei Finger Vater, Sohn und hl. Geist, der Apfel die Dreifaltigkeit.
b) Quelle: L'élite des Contes du Sieur d'Ouville, Lyon s.d. (1612) II 171. Der Stoff des Doktor Allwissend: KHM 98, Bolte-Polivka II 401, Aarne 1641.
c) Quelle: Nouveaux contes à rire et aventures plaisantes de ce temps; recréations françaises, Amsterdam 1700, S. 168. Zum Stoff vgl. Clouston I 55, Aarne 1586.
d) Quelle: ebd. S. 109. Gehört zum Meisterdiebstoff, s. oben Nr. 1, unten II 37.
e) Quelle: ebd. S. 140. Der Stoff vom schweigenden Paar ist arabischen Ursprungs, vgl. Rdtp XV 283, Clouston II 15, Aarne 1351.
f) Quelle: ebd. S. 198.
25. Quelle: Charles Perrault: Contes de ma mère l'oye, Paris 1697, S. 43 »Barbebleue« mit gelegentlicher Benutzung der Übersetzung von Th. Tesdorpf-Sickenberger, Berlin 1912, S. 37. – Das Märchen enthält[316] in seiner Schlußszene das Hinreißendste an dramatischer Spannung was die gesamte Märchenwelt zu bieten vermag. Um diese plastische Situation gruppieren sich die neufranzösischen Blaubartmärchen, die alle bis auf kleine Abweichungen von Perrault abhängig sind. In Sébillot, Orale S. 41, Rdtp IX 54, X 569, Luzel II 341, Mélusine III 330 meldet ein Hund, bei Bladé I 241 ein redender Häher den Brüdern die Gefahr der Schwester. Bei Sébillot Auvergne S. 50, Souvestre I 45 steigen die gemordeten Frauen aus den Gräbern und warnen die Heldin, in Carnoy frç. S. 160 und Rdtp III 435 ist der Blaubart ein Teufel, von dem die Heldin durch Christus und die heilige Jungfrau, die in Schmetterlingsgestalt heranschweben, gerettet wird. Die Neugier der Frau, die sich in der Übertretung eines Verbotes äußert, teilt das Märchen mit dem von Amor und Psyche, die Gestalt des Frauenmörders begegnet auch im Kreis vom Räuberbräutigam (s. unter II 15). Der Blaubartstoff geht wohl weniger auf eine historische Person – man hat in ihm einen Marschall von Retz wiederfinden wollen – zurück als vielmehr auf Zwergsagen: die germanischen Zwerge sind ja besonders als Frauenräuber berüchtigt, und in deutschen Fassungen des Märchens, die auch in der Dreizahl der auf die Probe gestellten Frauen märchenechter erscheinen als Perrault, tritt mitunter ein Zwerg an Blaubarts Stelle. Zum Märchen vgl. Bolte-Polivka I 398 zu KHM 46, Aarne 311, K. Hofmann in Romanische Forschungen I 934. Stoffverwandt sind die Volksballaden von Renaud (vgl. Mélusine IX 265), ferner die von Klotilde (Champfleury S. 28), vom Grafen de Saulx (Rathéry S. 946) und vom Ritter de Dion (Ampère S. 1180).
26. Quelle: ebd. S. 63: »Le maître chat ou le chat botté«, mit Benutzung der Übersetzung S. 46. Zum Stoff vgl. Bolte-Polivka I 325, Aarne 545. Das Märchen erfreut sich im Volksmund keiner allzu großen Verbreitung. Polivka (im Sbornik za narodni umotverenija, vgl. Rdtp XVI 344) nimmt asiatischen (kaukasisch-tatarischen) Ursprung desselben an. Nach Indien weist die Überlistung des Ogers, die in den Märchen vom Zauberlehrling (KHM 68) und vom Riesen ohne Seele wiederkehrt, doch geht Perraults Fassung in dieser Episode über seine Vorgänger Straparola und Basile hinaus. Unter dem Kater wird man einen Kobold zu erblicken haben, und Kobolde in Katzengestalt sind der deutschen wie der französischen Volkssage geläufig (vgl. du Méril: Etudes S. 467 Anm. 4).
27. Quelle: ebd. S. 91: »Cendrillon ou la petite pantoufle de verre« Übersetzung S. 65. Das Aschenbrödelmärchen (KHM 21, Bolte- Polivka I 165, Aarne 510) gehört zusammen mit dem Goldener- und dem Allerleirauhmärchen, das ebenfalls von Perrault bearbeitet wurde, zum großen Märchenkreis von der erhöhten Niedrigkeit, es ist ein echtes Traummärchen, der Glückstraum der sozial Entrechteten, etwa wie Hauptmanns Hannele. Der ganze Märchenkreis läßt sich weit hinauf verfolgen, zum Goldener s. oben Nr. 5, Allerleirauh begegnet in Anspielungen des 16. Jahrhunderts, und der Begriff Aschenbrödel läßt sich über das deutsche 16. Jahrhundert bis in die altisländische Saga (Kolbitr) zurückleiten, während die Schuhprobe zuerst im mittelhochdeutschen König Rother erscheint. Märchenechter erscheinen die deutschen Varianten,[317] in denen die Ballgewänder von einem Baum, der auf dem Grab der Mutter wächst, entnommen werden und in denen die Schwestern ihre Füße verstümmeln, um sich die Schuhe passend zu machen. Die neufranzösischen Varianten sind alle von Perrault abhängig bis auf zwei bretonische (Sébillot: Contes I 3, Luzel III 134), die das Motiv vom Blut im Schuh bewahrt haben. Der Glaspantoffel ist nach Ralstons ansprechender Vermutung (XIX. Century VI) nur ein Hörfehler: soulier de verre für soulier vair, »Schuh aus buntem Pelzwerk«. Eine Analyse des Märchens gab Miß R. Cox: Cinderella in Publications of the folklore society, London 1893.
28. Quelle: ebd. S. 141: »Le petit poucet«, in engem Anschluß an die Übersetzung S. 89. Das Märchen, das heute noch vielfach aus dem Volksmunde aufgezeichnet wird, läßt sich über Perrault nicht zurückverfolgen, ist aber keine Erfindung von diesem, sondern gehört zum Kreis des Hänsel und Gretelmärchens (s. unter Nr. II 50). In modernen Varianten wird der Held später nochmals in die Wohnung des Ogers geschickt, um im Auftrage des Königs die Wunschdinge desselben zu stehlen, vgl. Aarne 328 (so Vinson S. 89, Luzel II 231, Sébillot: Contes I 19, Carnoy: Picardie S. 241). Zum Märchen vgl. Bolte-Polivka I 124, Cosquin in Revue des trad. pop. XXV, G. Paris: Le petit poucet et le grand-ourse, Paris 1875. Die Däumlingsgestalt des Helden gehört nicht unbedingt zum Handlungsverlauf, sie dürfte von Perrault aus dem auch im Französischen weitverbreiteten Däumlingstypus übernommen sein (zu diesem vgl. KHM 37, 45, Bolte-Polivka I 389, Aarne 700). Zum Wechsel der Kopfbedeckungen: Aarne 119.
29. Quelle: Perrault: Contes de ma mère l'Oie S. 81, »les Fées«. Das Märchen gehört zum Frau- Holle-Kreis, vgl. Bolte-Polivka I 215 zu KHM 24, Aarne 480. Auch in modernen französischen Sagen und Märchen gehen die Feen verkleidet durch das Land, um die Guten zu belohnen und die Bösen zu bestrafen, vgl. Sébillot: Folklore I 265. Ein neufranzösisches Frau-Holle-Märchen s. unter II 19.
30. Quelle: Les contes des fées par Mme. d'Aulnoy, Amsterdam 1717. S. 75, »l'oiseau bleu«. Gekürzt. Die Einleitung bis zur Verwünschung des Elben in einen Vogel ist von der Gräfin erfunden; weiterhin übernahm sie die Schlußformel von der Märchenwanderung und den drei Nächten aus gewissen Fassungen des Amor- und Psychemärchens, während in volkstümlichen Fassungen die Schlußformel den Erwerb des Heilmittels und die Heilung des verwundeten Elben durch die Heldin berichtet. Die Dreinächteformel bildet fernerhin mit den drei Aufgaben im Riesenhause (s. unter Nr. II 13) und der magischen Flucht (s. unter Nr. 31) zusammen den Jason- und Medea-Typus (KHM 113, vgl. Bolte-Polivka II 516). In modernen Sammlungen ist das Märchen in Frankreich nicht überliefert, wohl aber begegnet es in einem Lai der Marie de France, »Yonec«, s.o. Nr. 15 b.
31. Quelle: Les contes des fées der Gräfin Aulnoy, nach dem Druck im Cabinet des fées, Amsterdam und Paris 1785, II 304. Aus der langen Liebesgeschichte wurde die Formel von der magischen Flucht herausgehoben. Vgl. KHM 51, 56, 79, 113, 186, 193 mit den Anm. Bolte-Polivkas, Aarne 313. Der Dämon, dem in modernen Fassungen des[318] Jason- und Medeamärchens das Liebespaar entflieht, ist gleichfalls ein Oger (Cosquin 9, Rdtp VII 29), ein Teufel (Carnoy: Picardie 252, Rdtp IX1 69, 170, 171, XVI 125, Cosquin 32, Mélusine I 446), ein Zauberer (Rdtp VI 588, I 238, Luzel II 3, 33, 57, Sébillot: Contes I 31) oder eine Fee (Carnoy frç. S. 233).
32. Quelle: Mlle. l'Héritier: La tour ténébreuse et les jours lumineux 1705, nach dem Abdruck im Cabinet des fées XII 27, stark gekürzt. Diese Kunstnovelle, die sich von den volksmäßigen Fassungen des bekannten Rumpelstilzchenmärchens dadurch unterscheidet, daß der Name nicht erraten, sondern im Gedächtnis behalten werden soll, hat in vielen modernen französischen Versionen nachgewirkt: Mélusine I 150, Sébillot: Contes I 48, Pineau S. 131, Orain S. 11 folgen dem Kunstmärchen, während Sébillot: Contes I S. 301, Sébillot: Traditions I 130, Fleury S. 190, Cosquin 27, Carnoy: frç. S. 227, Rdtp VIII 369, XIII 633, auf die populäre Version zurückgehen. Ein Teufel tritt als Dämon auf in Sébillot I 48, Cosquin 27, Carnoy 227, Rdtp VII I369, XIII 633, dagegen ein Zwerg in Mélusine I 150, Sébillot: Trad. I 130, Pineau 131, Orain 11, ein Lutin bei Sébillot I 301. Zum Märchen vgl. KHM 55, Bolte-Polivka I 490, Aarne 500, Clodd: Tom. Tit. Tot., London 1898, Polivka in ZVfVkk X 254, v. Sydow: Två spinnsagor, Lunder Diss. 1909. Polivka und Sydow nehmen germanischen, letzterer speziell schwedischen Ursprung des Märchens an, von dort verbreitete es sich, über Norddeutschland nach Frankreich. Die mythische Grundlage des Märchens ist in dem weitverbreiteten Aberglauben zu suchen, daß die Kenntnis des Namens eines Dämons zugleich die Macht über denselben verleiht.. Zu dieser Anschauung vgl. K. Nyrop: Navnets magt in dessen Mindre afhandlinger, Kopenhagen.
33. Quelle: Mme. le prince de Beaumont: Magasin des enfants ou dialogues entre une sage gouvernante et plusieurs de ses élèves, Paris und Frankfurt 1776, I 56, »la belle et la bête«, leicht gekürzt. Die Fassung der Beaumont geht auf eine ältere der Mme. de Villeneuve (1740) zurück. Das Märchen gehört zum Kreise von der gestörten Mahrtenehe, hat aber seinen Schluß aus der gleichfalls weit verbreiteten Gruppe vom erlösten Tierbräutigam entnommen. Zu letzterem vgl. KHM 1, 63, 108, 144 mit den Anmerkungen bei Bolte-Polivka. Die Vereinigung, die beide Märchen hier eingegangen sind, erscheint in dieser Kunstnovelle zum ersten Male in der Literatur, und man hat (Ralston in XIX Century 1878) eine weitgehende Beeinflussung des lebendigen Märchens durch die Fassung der Beaumont vermutet. Die Verbindung der Psycheeinleitung mit dem Tierbräutigamschluß dürfte indes nicht die künstlerische Tat der Französin sein. Das eigentliche Verbreitungsgebiet dieses Mischtypus ist vielmehr Deutschland, und der Schluß mit der Erlösung durch Liebe, der liebevolle Umgang mit dem Tier und endlich die Verwandtschaft des Stoffes mit dem in Deutschland besonders verbreiteten Sagentypus von der erlösten Schlangenjungfrau (Grimm DS 13) läßt auf deutschen Ursprung der Kombination schließen. Zu dieser vgl. noch Bolte-Polivka II 237 zu KHM 88. (In modernen französischen Sammlungen erscheint das Märchen bei Coquin 63, Bladé I 181, Meyrac S. 470, Rdtp XIII 533).
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