[96] Bocévaine war ein listiger Bauer. Eines Tages erfuhr er, daß gerade ein Krieg ausgebrochen sei. Eiligst schlug er seine beiden Kühe tot, legte das Fleisch ins Pökelfaß und ging mit den beiden Häuten in den Wald, um sie trocknen zu lassen. Plötzlich vernimmt er einen gewaltigen Lärm: es sind die Feinde; flugs klimmt er samt seinen Häuten auf einen Baum und verhält sich dort regungslos. Es ereignete sich aber, daß die Feinde gerade an diesem Orte halt machten; ihre Führer traten unter dem Baume zusammen und machten sich daran, einen Schatz zu zählen, den sie geplündert hatten. Bocévaine war vom Glanze des kostbaren Metalles geblendet, er verlor den Kopf und ließ in seiner Verwirrung die Häute fallen. Die Offiziere vermuteten einen Überfall, riefen zu den Gewehren, und augenblicklich machte sich die ganze Truppe aus dem Staube. Bocévaine war vom Baume herabgestiegen und stellte zu seiner Freude fest, daß die Offiziere in ihrer Aufregung den Schatz vergessen hatten. Er steckte alles in seine Taschen, sogar unter die Mütze und in die Holzschuhe, und lief in aller Hast zu seiner Wohnung. Seine Frau glaubte zu träumen. Da er keine Zeit hatte, all das Gold zu zählen, sagte er zu ihr: »Liebe Frau, hole doch schnell das kleine Gemäß vom Herrn Pfarrer!« Sie lief hin; der Pfarrer aber fragte sie, was Bocévaine so spät noch zu messen habe. Sie sagte ihm, es seien Goldstücke. Der Pfarrer, neugierig gemacht, begab sich in Bocévaines Wohnung: »Wo hast du all das Geld her?« fragte er ihn. »Es ist der Erlös für meine beiden Häute!« sagte Bocévaine. Der Pfarrer hatte vier Kühe und gedachte das Doppelte damit zu verdienen; er ließ sie schlachten und schickte seine Haushälterin fort, die Häute auf dem Markte zu verkaufen. Jedem Käufer, der sich einstellte, erwiderte sie: »Um den gleichen Preis wie Bocévaine.« Man glaubte, sie sei verrückt, und sie mußte die Häute ins Pfarrhaus zurücktragen.[97]
Der Pfarrer wollte sich wegen dieser Fopperei rächen und lief wütend in Bocévaines Wohnung; aber dieser hatte ihn schon bemerkt und stellte mitten ins Zimmer einen Kochtopf, in welchem eine appetitliche Suppe brodelte, nachdem er zuvor das Feuer durch einen Wasserguß ausgelöscht hatte. Darauf bewaffnete er sich mit einer Geißel, peitschte den Kochtopf und rief dem eintretenden Pfarrer entgegen: »Halt, Herr Pfarrer! Ihr habt, ich wette, noch nie einen solchen Kochtopf gesehen: er kocht ohne Feuer!« Der Pfarrer merkte die List nicht. »Verkaufe mir diesen Kochtopf!« sagte er. Bocévaine schien zuerst nicht recht damit einverstanden, aber endlich sprach er: »Nehmt ihn, Herr Pfarrer; weil Ihr es seid, verkaufe ich ihn Euch, aber nicht billiger als um fünfzig Taler.« »Fünfzig Taler, meinetwegen!« entgegnete der Pfarrer. Er bezahlte den Betrag und nahm den Kochtopf mit. Sonntags ging seine Haushälterin nie in die Messe unter dem Vorwand, sie müsse die Töpfe auf dem Feuer besorgen, jetzt aber würde sie diese Entschuldigung nicht mehr vorbringen können. Als man ihr jedoch das angebliche Wunder zeigte, zog sie die Schultern hoch und sagte, das sei wieder einer von Bocévaines Streichen. Am Sonntag in der Frühe steckt sie nichtsdestoweniger das Gemüse und das Fleisch in den Kochtopf und geht in die Messe. Bei ihrer Rückkehr war noch alles in demselben Zustande. Neuer Zornesausbruch des Pfarrers, welcher in die Wohnung Bocévaines rennt, fest entschlossen, sich diesmal zu rächen.
Bocévaine hatte ihn kommen sehen. »Zieh dich aus«, sagte er zu seiner Frau, »und stell dich tot!« Die Frau gehorchte geschwind, Bocévaine warf ihr ein Bettuch über das Gesicht, zündete eine Kerze an und brach, als der Pfarrer eintrat, in Schluchzen aus. Dieser hörte jetzt nur mehr auf das Gebot der Pflicht und suchte ihn zu trösten. Bocévaine ist untröstlich. Aber plötzlich besinnt er sich anders: »Jetzt denke ich erst daran,« sagte er, »da habe ich eine kleine Pfeife, welche die Toten belebt.« Und sogleich läuft er zu einem Schrank und beginnt, mehrere Male auf dem Instrument zu blasen.[98] Auf der Stelle erhebt sich die gute Frau wie von einer Feder aufgetrieben und läßt einen tiefen Seufzer hören. Der erstaunte Pfarrer will die Pfeife auf jeden Fall erwerben. Bocévaine ist nicht eher einverstanden, bis jener wieder fünfzig Taler dafür zahlt. Der Pfarrer nimmt also die Pfeife mit, aber diesmal hütet er sich, mit seiner Haushälterin davon zu reden, und das hatte seinen guten Grund. Sie machte ihm nämlich jeden Tag einen Höllenkrach. Um die Sache in Ordnung zu bringen, bewaffnet er sich mit einem Besenstiel und versetzt ihr damit einen so wuchtigen Schlag, daß sie zu seinen Füßen hinstürzt. Er gedachte sie erst in dem Augenblicke wieder zu erwecken, wenn es Zeit wäre, das Mittagessen herzurichten. Als es soweit war, begann er zu pfeifen, aber die Mühe war umsonst: das arme Mädchen war tot und blieb tot. Dieses Mal war der Zorn des Pfarrers entsetzlich, er rüstete sich mit einem Sack aus und war in einem Sprung in Bocévaines Wohnung.
Bocévaine war am Ende seiner Listen angelangt. Er mußte sich also notgedrungen vom Pfarrer mitzerren lassen. Als sie am Ufer eines Flusses angekommen waren, hieß ihn der Pfarrer in den Sack steigen und gewährte ihm eine Viertelstunde Frist, um seine Seele Gott zu empfehlen; dann entfernte er sich. Ein gewisser Jemand ging gerade vorüber, dieser wollte wissen, warum man ihn solchermaßen in einen Sack gesperrt hätte. »Es geschah,« sagte Bocévaine zu ihm, »weil ich mein ›pater noster‹ und mein ›Ave Maria‹ nicht kann.« »Ich kann diese Gebete,« sagte das Individuum, »ich will Euern Platz einnehmen.« Bocévaine hütete sich wohl, einen solchen Vorschlag abzuweisen. Umsonst sagte der Pechvogel, als der Pfarrer zurückkam, alle seine Gebete auf, er mußte einen Kopfsprung machen.
Der Herr Pfarrer dachte nicht mehr an Bocévaine, als er eines schönen Tages das Klatschen einer Peitsche auf der Gasse hörte. Neugierig schaut er auf, und was sieht er? Bocévaine in Fleisch und Bein, der eine Herde furchtbar magerer Säue vor sich hertreibt. Bocévaine ahnte seine Zweifel[99] und belehrte ihn, er sei wirklich derselbe Bocévaine, den er ins Wasser geworfen habe. »Aber«, fügte er hinzu, »wenn Ihr mich noch weiter hineingeworfen hättet, so würden die Schweine feister sein.« In seiner Verwunderung vergißt der Pfarrer jeden Groll und bittet Bocévaine, ihn in einen Sack zu stecken. Bocévaine beeilt sich, ihm zu gehorchen. Er schleuderte den Sack, soweit er konnte, in den Fluß, aber der Pfarrer ist niemals wiedergekommen.