4.
Die Elfen-Amme.

[7] In der Nähe von Coolgarrow wohnte ein armes Ehepaar, das drei Kinder hatte. Die Frau war zwar eine sehr tüchtige Hausfrau und scheute vor keiner Arbeit zurück, aber vom Kirchengehen war sie keine besondere Freundin und die langen Predigten ihres Priesters hielt sie für unverzeihliche Zeitverschwendung. Während nun eines Tages ihr Mann nebst den beiden ältesten Söhnen der Messe beiwohnte, ließ sie ihr jüngstes Kind zu Hause und ging zu einem alten Wahrsager und Wunderdoktor, um ihn wegen einer kranken Kuh um Rath zu fragen. Als nun ihr Mann wieder nach Hause zurückgekehrt war und sie wegen der Vernachlässigung ihrer religiösen Pflichten ernstlich zur Rede stellte, versprach sie ihm, noch an demselben Abend in die Kirche zu gehen. Und sie hielt auch Wort.

In der Nacht wurde der Mann plötzlich durch den Ruf »Mutter! Mutter!« geweckt und als er sich nach seiner Frau um sah, war sie Verschwunden. Er fragte seinen ältesten Sohn, wo seine Mutter hin sei.

»Vor einer Stunde,« antwortete er, »sah ich das Zimmer voller grün-, gelb- und weiß-gekleideter Zwerge, die um die Mutter einen Tanz aufführten und sie dann mit fortnahmen.«

Augenblicklich stand er auf und suchte überall im ganzen Hause und Hofe nach ihr, aber nirgends war eine Spur von ihr zu finden. Er weinte bitterlich, aber seine Thränen waren vergeblich.

Da kam nun eine Woche darnach eine Hebamme zu ihm und erzählte ihm Folgendes:

»Als ich mich gestern Abend in's Bett legen wollte, hörte ich auf einmal Pferdegetrampel im Hofe und gleich darauf klopfte es an der Thüre. Ich ging augenblicklich hinaus und sah einen schönen schwarzen[7] Mann auf einem Rappen vor mir, der mir sagte, ich solle augenblicklich mit ihm zu seiner Frau gehen.« Ehe ich ihm Antwort geben konnte, hatte er mich auf sein Pferd gehoben und fort ging's in sausendem Galoppe. »Wo reiten wir hin?« fragte ich. »Das wirst du bald sehen,« erwiderte er und fuhr mit seiner Hand über meine Augen, wonach ich völlig erblindete. In welcher Richtung wir ritten, kann ich also nicht sagen; doch war unsere Reise keine lange, denn bald machte er Halt und fuhr mit seiner Hand in der entgegengesetzen Richtung über meine Augen, worauf ich ein großes Schloß vor mir stehen sah. Wir gingen hinein und er führte mich durch ein mit den reichsten Vorhängen und Teppichen verziertes Zimmer in das Schlafgemach seiner Gattin, woselbst er mich allein mit ihr ließ. Bald darnach erblickte ein feiner Knabe das Licht der Welt. Die Frau klatschte in die Hände und gleich kam Fir Dhorocha (schwarzer Mann) herein und gab mir eine Flasche mit einer grünen Flüssigkeit, um das Kind damit einzureiben.

Ich rieb es auch ein, doch unversehens kam mir etwas von der Flüssigkeit in's Auge, was mir große Schmerzen verursachte. Als ich wieder recht sehen konnte, war alle Pracht und Herrlichkeit um mich verschwunden und der Mann und die Frau vor mir sahen so mager aus wie Skelette und die Kleider, die sie anhatten, würde ich nicht vom Boden aufheben!

Ich that, als merke ich den plötzlichen Unterschied nicht.

»Geh' vor das Schloßthor,« sagte der Schwarze, »ich werde ebenfalls bald dort sein und dich nach Hause bringen.«

Ich ging fort und wem begegnete ich? Deine Frau, die arme Molly, stand traurig im Hofe und als sie mich bemerkte, flüsterte sie mir zu:

»Ich bin hieher geholt worden, um das Kind des Feenkönigs zu säugen und es gibt nur einen Weg, mich zu retten. Am nächsten Freitag Abend wird die hiesige Elfenschaar nach dem Hofe der Feen von Old Roß ziehen und wenn mich dann mein Mann am Kleide fassen kann, so bin ich gerettet.«

Gleich darauf kam Fir Dhorocha, hob mich auf sein Pferd und fort ging's im Sturmessaus nach meiner Wohnung. Er bedankte sich, gab mir fünf Guineen und ritt wieder fort. Als ich jedoch heute morgen mein Geld betrachtete, sah ich zu meinem größten Schreck,[8] daß er mir fünf dürre Eichblätter gegeben hatte. »Ich hoffe, ich werde sein Gesicht nie wieder sehen!«

Der arme Mann freute sich, daß er Hoffnung hatte, seine Frau wieder zu bekommen, und stellte sich am nächsten Freitagabend an die Stelle, die ihm die Hebamme noch näher angegeben hatte. Sie war ebenfalls mitgegangen, da sich der Mann allein fürchtete.

Bald kam der Zug der Elfen vorbei, aber da er ihn nur hörte, so gab ihm die Frau einen Stoß und er griff blindlings zu und hatte sein geliebtes Weib in den Armen. Sobald er sie berührte, war sie auch für ihn sichtbar und ebenso eine Menge merkwürdiger Geschöpfe, die sie ihm mit aller Gewalt wieder entreißen wollten. Aber ihre Anstrengungen waren vergebens. Die Drei gingen nun ruhig nach Hause und die Frau erkannte seit dieser Zeit den Werth des Kirchengehens und schimpfte nie mehr über lange Predigten.

Quelle:
Knortz, Karl: Irländische Märchen. Zürich: Verlagsmagazin J. Schabelitz, 1886, S. 7-9.
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