47.
Shannon.

[100] Vor langer, langer Zeit befand sich in Ossori ein Brunnen, an dessen Rand ein Vogelbeerbäumchen stand. Sobald die Beeren reif waren, fielen sie in das Wasser und wurden von den Lachsen darin verzehrt. Diese bekamen alsdann rothe Flecken und wurden »Lachse der Weisheit« genannt. Jeder, der einen solchen Fisch aß, erhielt, wie einst Fion, der Sohn Cumhail's, die Gabe der Allwissenheit. Aber sie waren nicht leicht zu fangen und mitunter brachte Einer wochenlang an der Quelle zu, ehe er nur einen zu Gesicht bekam.

Nach einer alten Sage war es den Weibern streng untersagt, davon zu essen. Jedoch eine wißbegierige Jungfrau, Names Shannon, achtete dieses Verbotes nicht und fing einst einen Lachs und briet ihn. Nach dem ersten Bissen erfüllte sich ihr Herz mit unbeschreiblicher Freude, doch nach dem zweiten wuchs die Quelle auf einmal zu einem reißenden Strome, der sie fortriß und in seinen Fluthen begrub.

Jener Fluß hat daher den Namen »Shannon« erhalten.[100]

Quelle:
Knortz, Karl: Irländische Märchen. Zürich: Verlagsmagazin J. Schabelitz, 1886, S. 100-101.
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