49.
Wie der Killarney-See entstand.

[101] Ein fremder Ritter war in das Thal von Killarney gekommen und hatte sich in die Tochter eines dortigen Landmannes verliebt.

Das Mädchen liebte ihn ebenfalls, aber sie hatte keine Lust, ihre Heimat zu verlassen, um mit ihm fortzuziehen.

Nun kam er eines Abends in das Haus ihrer Eltern und hielt um die Hand des Mädchens an, die ihm auch nicht versagt wurde. Da sie nicht zugegen war, so fragte er, wo sie hingegangen sei.

»Sie ist,« erwiderte ihre Mutter, »zum Feenbrunnen gegangen, wie es die allgemeine Sitte unter den jungen Mädchen ist.«

Gleich eilte er ihr nach und fand sie mit einem halbvollen Eimer am Brunnen stehen und nachdem er ihr die freudige Mittheilung gemacht hatte, daß ihre Eltern ihre Verheiratung billigten, ließ sie den Eimer stehen, hing sich an seinen Arm und Beide lustwandelten im Mondschein umher. Die Stunden wurden zu Minuten und ehe sie an's Nachhausegehen dachten, dämmerte der Tag bereits.

Schnell wollte sie nun zum Brunnen zurückeilen, um ihren Eimer zu holen, doch sah sie zu ihrem größten Schrecken, daß sich an jener Stelle ein großer See gebildet hatte. Derselbe wuchs von Minute zu Minute und die Thalbewohner packten schon ihre Habseligkeiten zusammen und retteten sich auf die höchsten Bergspitzen.

Dieser See erhielt späterhin den Namen »Killarney-See.«[101]

Quelle:
Knortz, Karl: Irländische Märchen. Zürich: Verlagsmagazin J. Schabelitz, 1886, S. 101-102.
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