5. Von der Elbenfrau Una.

[322] Nach der Erzählung einer alten Frau aus der Rángárvallasíjsla.


Ein Knecht beobachtet, wie die von ihm beargwöhnte Wirtschafterin festlich geschmückt in der Weihnachtsnacht fortgeht. Er steigt unbemerkt mit ihr auf ein rotes Tuch, das sie über einem Wasser ausbreitet. So gelangt er zu einem ansehnlichen Bauernhofe. Hier wird bei einem Festmahle gut gegessen und[322] getrunken, und es gelingt dem Knechte, eine riesige fette Hammelrippe heimlich einzustecken. Wie sie am anderen Tage beim Essen sind, ergreift der Hausherr mit Stolz eine grosse Hammelrippe und fragt seine Leute, ob diese wohl ihresgleichen habe. »Das kann wohl sein«, meint der Knecht und holt die Kippe hervor, die er in der Unterwelt heimlich eingesteckt hatte. Als die Wirtschafterin das sieht, erblasst sie und verschwindet. Niemand hat sie seitdem wieder gesehen.

Zu diesem Märchen, das im Isländischen in so vielen Varianten erzählt wird, kann ich aus den übrigen Märchensammlungen keine Parallelen anführen. Dass ursprünglich die Elben als dem Totenreiche angehörig betrachtet wurden, geht aus diesen Erzählungen deutlich hervor. Die verwünschte Elbenkönigin muss durch einen Sumpf, See etc. hinabsinken, um in ihre Heimat, in die Unterwelt, zu kommen. Sie bringt jedem, mit dem sie näher zu tun hat, den Tod, bis endlich einer ihr wahres Wesen entdeckt und sie dadurch zur Rückkehr ins Totenreich veranlasst. – – Nach den übrigen isländischen Elbensagen, die in der Weihnachtsnacht sich abspielen, kommen die Elben in dieser heiligen Nacht aus der Unterwelt hervor und belustigen sich in der Wohnung der Menschen. Alles Lebende, das ihnen in den Weg kommt, wird getötet, sie selbst aber müssen sich vor dem Tageslichte hüten und entfliehen deshalb, ehe der Tag graut, meist stürzen sie sich dann in einen Sumpf oder See, um in ihre Unterwelt zurückzukehren (vergl. z.B. Árn. I S. 118 ff.).

Quelle:
Rittershaus, Adeline: Die neuisländischen Volksmärchen. Halle: Max Niemeyer, 1902, S. 322-323.
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