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Es waren ein König und eine Königin, die hatten keine Kinder, und hätten doch so gern ein Söhnchen oder Töchterchen gehabt. Die[105] Königin war dem heiligen Joseph sehr ergeben, und wandte sich zu ihm und sprach: »O, heiliger Joseph! Wenn ihr mir ein Kind bescheert, so will ich es Giuseppe oder Giuseppina nennen.«
Nicht lange, so hatte die Königin Aussicht auf ein Kind, und als ihre Stunde kam, gebar sie einen Sohn, und nannte ihn Giuseppinu. Der Knabe wuchs heran und wurde mit jedem Tage schöner und stärker.
Als er nun im Alter von dreizehn oder vierzehn Jahren war, bekam er eine große Sehnsucht, die Welt zu sehen und sprach zu seinen Eltern: »Lieber Vater und liebe Mutter, lasset mich ziehen, denn ich muß in die weite Welt hinaus.« »Ach, mein lieber Sohn, wo willst du hin?« antworteten sie. »Bleibe doch bei uns, hier mangelt es dir ja an nichts.« Weil ihn nun seine Eltern nicht ziehen lassen wollten, machte er sich eines Morgens heimlich auf den Weg, und entfloh.
Nachdem er eine lange Zeit gewandert war, kam er endlich in eine Stadt, wo ein andrer großer König herrschte, der eine wunderschöne Tochter hatte. Da ging Giuseppinu vor den königlichen Palast, und spazierte immer auf und ab. Die Königstochter aber stand am Balkon, und da sie den schönen Knaben sah, gefiel er ihr so gut, daß sie zu ihrem Vater ging und sprach: »Lieber Vater, unten ist ein Knabe, wenn ihr nur wüßtet wie schön er ist! Nehmet ihn doch in euren Dienst.« Der König aber hatte seine Tochter so lieb, daß er ihr nie eine Bitte abschlagen konnte. Also ließ er gleich den Giuseppinu rufen, und sprach zu ihm: »Willst du in meinen Dienst treten, so will ich dich zu meinem Stalljungen machen.« Giuseppinu war es zufrieden, und der König nahm ihn als Stalljunge in seine Dienste.
Nun blieb er lange Zeit da, und die Königstochter gewann ihn immer lieber, und eines Tages sprach sie zu ihrem Vater: »Lieber Vater, Giuseppinu ist für einen Stalljungen viel zu gut, machet ihn doch zum Lakaien, daß er im Palaste selbst diene.« Der König erfüllte wieder den Wunsch seiner Tochter, und Giuseppinu wurde Lakai. Es war aber unter den Pferden des Königs ein kleines Pferdchen, das hatte er so gern, daß er oft in den Stall ging, und es streichelte. Die Königstochter[106] gewann den schönen Jüngling immer lieber, ja endlich faßte sie eine so heftige Liebe zu ihm, daß sie zum König ging und sprach: »Lieber Vater, gebet mir den Giuseppinu zum Mann.« Nun wurde aber der König zornig und sprach: »Das ist nicht möglich, dir gebührt ein Herrscher zum Mann und nicht ein so elender Diener.« Weil aber die Königstochter nicht nachließ mit Bitten und Thränen, so sprach er endlich: »Ich will mit meinen Räthen darüber sprechen, was die mir rathen, will ich thun.« Da berief er alle seine Räthe und sprach: »Meine Tochter will durchaus ihren Lakaien, den Giuseppinu, heirathen, und weint nun Tag und Nacht, weil ich ihn ihr verweigert habe. Rathet mir, was soll ich thun?« Da antworteten sie: »Königliche Majestät, saget dem Giuseppinu, er solle die Königstochter heirathen, vorher aber müsse er eine Reise machen und große Reichthümer mitbringen. Dazu geben wir ihm ein schlechtes Schiff, so wird er untergehen und ertrinken. Die Königstochter aber wird ihn vergessen.« Dieser Rath gefiel dem König sehr gut, und er rief den Giuseppinu zu sich und sprach: »Giuseppinu, ich will dir meine Tochter zur Frau geben, du mußt aber vorher eine Reise machen, und große Reichthümer mitbringen, sonst schneide ich dir den Kopf ab.«
Da ging der arme Giuseppinu zu seinem Pferdchen in den Stall, streichelte es und sprach: »Ach, mein liebes Pferdchen, nun muß ich von dir scheiden, denn der König will mich auf die Reise schicken. Ach! wo soll ich armer Junge denn hingehen!« Wie er so klagte, erschien auf einmal ein altes Männlein in einer Mönchskutte, das war der heilige Joseph; Giuseppinu wußte es aber nicht. »Was weinst du?« frug ihn das Mönchlein. Da klagte ihm Giuseppinu sein Leid, der heilige Joseph aber antwortete: »Sage dem König nur: ja, du wollest die Reise machen; er solle dir nur ein Schiff voll Salz mitgeben. Ich aber will mit dir reisen, und du sollst sehen, es ist dein Glück.« Da ging Giuseppinu zum König und sprach: »Königliche Majestät, ich will die Reise machen; gebet mir nur ein Schiff voll Salz mit, so will ich gehen.« Nun war der König sehr froh, und gab ihm ein Schiff voll Salz. Das[107] Schiff war aber so schlecht und alt, daß von allen Seiten das Wasser hereinfloß, denn der König wünschte, Giuseppinu möchte untergehen. Da schiffte Giuseppinu sich ein, und sogleich erschien auch der heilige Joseph an Bord. Kaum aber betrat der Heilige das Schiff, so wurde ein großes, starkes Fahrzeug daraus, das fuhr gar schnell über das Meer.
Nun segelten sie eine lange Zeit, und kamen endlich in ein fremdes Land, wo die Leute kein Salz hatten, um ihre Speisen zu würzen. »Höre, Giuseppinu,« sprach der Heilige, »bleibe du hier, ich will ans Land gehen.« Da füllte er sich die Aermel seiner Mönchskutte mit Salz, und fuhr ans Land. Er ging sogleich in ein Wirthshaus, wo viele Leute bei einander saßen, setzte sich zu ihnen und aß auch. Weil aber die Speisen ohne Salz gekocht waren, so nahm er ein wenig Salz aus dem Aermel, streute es über seinen Teller und aß. Da frugen ihn die Leute: »Was habt ihr auf euer Essen gestreut?« »Es fehlte das Salz drin,« sagte er, »darum habe ich ein wenig dazu gethan.« »Was ist denn das, Salz?« frugen die Leute. Da sagte der Heilige: »Ihr wißt nicht, was Salz ist?« griff in seinen Aermel, und streute Jedem etwas auf den Teller. Als die Leute nun kosteten, schmeckten ihnen die Speisen viel besser, und sie sprachen: »Guter Alter, habt ihr noch mehr von diesem köstlichen Salz?« »O ja, ein ganzes Schiff voll.« »Könnt ihr es uns nicht geben?« »O ja, wenn ihr mir ein ganzes Schiff voll Gold gebt.« Da brachten ihm die Leute so viel Gold, bis das ganze Schiff voll war, und der heilige Joseph gab ihnen das Salz dafür. »Jetzt wollen wir wieder nach Hause fahren,« sprach er zu Giuseppinu, und Giuseppinu war sehr froh, daß er diese Menge Gold erworben hatte. So fuhren sie nach Hause, als sie aber in den Hafen einfuhren, verschwand der Heilige.
Unterdessen saß die Königstochter immer oben auf der Terrasse, und schaute aus, ob Giuseppinu bald käme. Als sie nun sein Schiff erblickte, lief sie voller Freude zum König und sprach: »Lieber Vater, Giuseppinu kommt mit einem wunderschönen großen Schiff.« Da erschrak der König und rief schnell seine Räthe, erzählte es ihnen und sprach: »Rathet mir, was soll ich nun thun?« Die Räthe antworteten: »Saget dem[108] Giuseppinu, was er mitgebracht habe, sei noch nicht genug; wenn er nicht noch einmal eine Reise mache, so könne er die Königstochter nicht heirathen.« Als nun Giuseppinu kam, und dem König das viele Gold brachte, sprach dieser: »Das ist wohl eine hübsche Menge Gold, aber es ist noch lange nicht genug, und wenn du die Königstochter heirathen willst, so mußt du eine zweite Reise machen, und noch mehr Geld mitbringen, sonst schneide ich dir den Kopf ab.« Da ging der arme Giuseppinu in den Stall zu seinem Pferdchen, und fing an zu jammern und zu weinen. Wie er aber so jammerte, erschien der heilige Joseph wieder, und frug ihn, warum er weine. Da klagte er ihm seine Noth, und der heilige Joseph sprach: »Ist dir die erste Reise nicht gelungen? Geh nur hin und sage dem König, du wolltest die Reise machen, er solle dir ein Schiff voll Katzen mitgeben.« Das that Giuseppinu, und der König gab ihm ein Schiff, das war noch viel schlechter als das erste. Als aber Giuseppinu sich eingeschifft hatte, so erschien auch der Heilige, und kaum hatte er das Schiff betreten, so wurde es stark und neu, also daß sie fröhlich abfahren konnten.
Sie fuhren eine lange Zeit, und kamen endlich in ein fremdes Land, da gab es keine Katzen und die Mäuse tanzten auf den Tischen herum. »Giuseppinu,« sprach der heilige Joseph, »ich gehe ein wenig ans Land, bleibe du so lange hier.« Da nahm er einige Katzen, und steckte sie in die weiten Aermel seiner Kutte und fuhr ans Land. Er ging in ein Wirthshaus, wo viele Leute zum Essen waren, und die Mäuse tanzten auf den Tischen herum und sprangen sogar in die Teller. Da zog der Heilige die Katzen aus dem Aermel, und setzte sie auf den Boden, und die Katzen machten sogleich Jagd auf die Mäuse und tödteten eine ganze Menge. Die Leute aber schauten ganz erstaunt zu, und frugen den Heiligen: »Habt ihr noch mehr solcher wunderbaren Thiere?« »O ja, ein ganzes Schiff voll.« »Könnet ihr sie uns nicht da lassen?« »Warum nicht? wenn ihr mir ein ganzes Schiff voll Gold dafür gebt.« Da beluden ihm die Leute sein Schiff mit Gold, und der Heilige ließ ihnen die Katzen da, und Giuseppinu konnte wieder mit großen Reichthümern nach Hause[109] fahren. Als sie aber in den Hafen einfuhren, verschwand der heilige Joseph.
Die Königstochter saß auf der Terrasse, und schaute aus, ob Giuseppinu bald käme. Da sie nun sein Schiff erblickte, lief sie zum König und sprach: »Lieber Vater, Giuseppinu kommt, und bringt ein Schiff mit, das ist noch viel größer und schöner als das erste.« »Was ist denn das?« sagte der König, »das geht ja nicht mit rechten Dingen zu,« und berief wieder seine Räthe und sagte ihnen Alles. »Königliche Majestät,« antworteten sie, »ihr müßt den Giuseppinu eben zum drittenmal auf die Reise schicken, und ihm ein so schlechtes Schiff geben, daß er mit demselben nicht einmal zum Hafen herauskommt.« Als nun Giuseppinu kam, und dem König all das Gold zu Füßen legte, sprach der König: »Du hast wohl viel Gold erworben, aber es ist noch lange nicht genug, und wenn du die Königstochter heirathen willst, so mußt du eine dritte Reise machen, sonst schneide ich dir den Kopf ab.« Da ging Giuseppinu wieder voll Trauern in den Stall, und streichelte sein Pferdchen mit vielen Thränen.
Sogleich erschien wieder der heilige Joseph, und da er ihm sein Leid klagte, sprach der Heilige: »Was weinst du denn? Es ist dir ja zweimal gelungen, es wird dir auch diesmal gut gehen. Geh zum König und sage ihm, du wollest seinen Willen thun, er möge dir nur ein Schiff voller Soldatenanzüge mitgeben.« Das that Giuseppinu, und der König gab ihm ein Schiff, das war so alt und schlecht, daß Giuseppinu nicht einmal hätte zum Hafen heraus kommen können, wenn nicht der Heilige erschienen wäre und ein großes und starkes Schiff daraus gemacht hätte. Wie sie nun so einher fuhren, begegnete ihnen eine feindliche Flotte mit vielen Soldaten, und der feindliche Heerführer sprach zu Giuseppinu: »Wir wollen mit einander kämpfen.« Da sprach der Heilige zu Giuseppinu: »Nimm den Kampf an, und sage dem feindlichen Heerführer: wer verliere, müsse dem andern sein Schiff geben.« Also kämpften sie auf diese Bedingung, und Giuseppinu verlor sein Schiff. Der Heilige aber sprach zu ihm: »Verliere den Muth nicht, sondern sage dem feindlichen[110] Feldherrn: das Schiff habest du verloren, aber nicht die Soldatenanzüge darin. Um diese wolltest du jetzt noch einmal kämpfen, und er müsse seine Soldaten dagegen setzen.« Also kämpften sie noch einmal, und Giuseppinu gewann die Schlacht. Da mußte ihm der feindliche Feldherr seine Soldaten geben, und Giuseppinu befahl, sie sollten ihre Kleider ausziehen, und ließ sie die Uniformen anziehen, die er in seinem Schiffe hatte. Dann stellte er sich an die Spitze seines Heeres, und marschirte mit ihnen gegen die Stadt, wo der König wohnte. Die Königstochter saß wieder auf der Terrasse, und wartete auf Giuseppinu, und da sie die vielen Soldaten erblickte, lief sie zum König und sprach: »Lieber Vater, Giuseppinu kommt, und hat ein ganzes Heer Soldaten bei sich.« Da erschrak der König und dachte: »Wenn ich ihm meine Tochter jetzt noch verweigere, so raubt er mir gewiß meine Krone.« Also ging er dem Giuseppinu entgegen, und empfing ihn mit vielen Ehren und sprach: »Du hast alle Bedingungen erfüllt, nun sollst du auch meine Tochter zur Frau bekommen.« Da wurden drei Tage Festlichkeiten gehalten, und Giuseppinu heirathete die schöne Königstochter, und der heilige Joseph traute sie. Nach der Trauung aber segnete er sie, und sprach: »Ich bin der heilige Joseph, wenn ihr mich nöthig habt, so ruft mich nur, und ich will euch immer helfen.« Darauf verschwand er, und kehrte in den Himmel zurück. Giuseppinu aber schickte einen Boten zu seinen Eltern, und ließ ihnen sagen: »Euer Sohn lebt noch, und ist der Gemahl einer schönen Königstochter.« Da freuten sich die Eltern über die Maßen und reisten hin und umarmten ihren lieben Sohn voller Freuden. Und so lebten sie alle glücklich und zufrieden, wir aber sind leer ausgegangen.
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