33. Durch die Hinterpforte.

[156] Zum heiligen Rabbi Pinchos von Korez kam einmal ein junger Mann, der schwer lungenleidend war. Seine Krankheit war von Tag zu Tag schlimmer geworden, so daß er sich in größter Lebensgefahr befand. Dieser Mann hatte schon verschiedene heilige Rabbis besucht, doch keiner von ihnen hatte ihm geholfen. Rabbi Pinchos gab dem Mann seinen Segen und versicherte ihn, daß er nun gesund werden würde. Und so geschah es auch: der Mann genas vollständig.

Rabbi Pinchos sagte zu den Leuten, die um ihn waren: »Glaubt nur nicht, daß ich größer und heiliger bin als alle die frommen Rabbis unserer Zeit, die der junge Mann vorher aufgesucht hat. Gott behüte! Wisset aber, daß ich wie ein Dieb handelte, der einen unterirdischen Gang gräbt und so ins Haus gelangt. Ich versuchte anfangs genau wie die andern Rabbis, in den Himmel durch das Tor der Heilung zu gelangen; doch man verschloß vor mir das Tor, weil man im Himmel nicht wollte, daß der junge Mann am Leben bleibt. Darum begab ich mich zum Tor des Lebensunterhaltes und fand das Tor und alle Kammern offen: denn Lebensunterhalt wollte man dem jungen Mann gewähren. Nun ging ich zum Tore der Heilung zurück und brachte vor, daß man Lebensunterhalt doch nur einem Lebenden geben könne. Also mußten sie mir am Tore der Heilung nachgeben und dem jungen Manne auch Leben zugestehen.«

Quelle:
Eliasberg, Alexander: Sagen polnischer Juden. München: Georg Müller, 1916, S. 156-157.
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