Koboldmärchen.

[47] Der Grund des Sees Llyn Cynnwch, auf dem Landgute Nannau, birgt in seiner Tiefe den Herdstein vom Hause des Dôl y Clochyd. Dieser Grund wurde von dem Geliebten eines Mädchens namens Siwsi erforscht, als er auf dem Wege zu ihr von Nannau aus, wo er Knecht war, sich einst verirrte.

Der arme Jüngling fiel dabei in den See und sank tiefer und tiefer, bis er bemerkte, daß es klarer zu werden anfing, je tiefer er gelangte. Schließlich blieb er auf ebenen Boden stehen, wo jegliches so aussah, wie er es vom trockenen Lande her kannte.

Als er derart den Grund des Sees erreicht hatte, erschien ein kurzbeiniger fetter alter Mann vor ihm und fragte ihn, was er hier suche; worauf er ihm erzählte, wie es gekommen, daß er daselbst erschienen wäre.

Der Jüngling wurde freundlichst willkommen geheißen und blieb nun einen Monat in der Tiefe, dieweil er drei Tage kaum verweilt zu haben vermeinte. Als es zum Abschied kam, wurde er von allen Bewohnern des Seebodens bis an das trockene Land geleitet, worauf er den Weg zu seiner Geliebten nahm.

Er berichtete später, daß die ganze Gegend eben wäre, ausgenommen einer einzigen Stelle, wo er etwa einen Faden nach abwärts steigen mußte; doch, fügte er hinzu, wäre es darauf notwendig gewesen, ebensoviel wieder emporzusteigen, um den Herdstein des Dôl y Clochyd zu erreichen. Das Wunderbarste aber sei gewesen, daß dieser Stein sich von selbst emporhob, als er den unterirdischen Gang emporgeschritten kam.[48]

So war er denn eines Abends wiedergekehrt, gerade als das geliebte Mädchen am Feuer saß und um ihn weinte. Siwsi war vor einigen Tagen aus gewesen und dabei den Kobolden begegnet. Sie hatte daher alles gewußt, was ihm zugestoßen war, ohne daß sie jedoch irgend jemand es anvertraut hätte.

Solcherart war denn durch Zufall die Tiefe des Llyn Cynnwch bekannt geworden.


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Ganz vorzüglich gilt das Gelände von Aran Fawdwy als ein Lieblingsplatz der Feen- und Koboldfamilie. Dort finden sie sich regelmäßig ein, um ihren Spielen zu frönen und rings in der Gegend wird dann ihr Lärmen vernommen. Auch um Bwlch y Groes pflegen sie, wie man erzählt, scharenweise aufzutauchen.

Einstmals kreuzte ein Jüngling das Gelände gegen Dämmerung an einem schönen Sommertage, und da sah er ganz nahe von Aber Rhiwlech einen Schwarm der kleinen Familie, Kobolde und Feen, wie diese gerade voll Eifer dem Tanze oblagen. Der Jüngling ward dabei von ihnen erblickt und begann nun zu laufen, verfolgt von zwei Feenmädchen, die ihn stehen zu bleiben hießen.

Robin aber, so hieß jener Jüngling, lief hurtig und unablässig, so daß ihn die beiden Feen nicht erhaschen konnten; ansonst er sicherlich in ihren Liebesfesseln zugrunde gegangen wäre.

Man findet noch heute eine Menge ihrer Tanzringe rings an den Abhängen, besonders zwischen Aber Rhiwlech und Bwlch y Groes.


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Eines Tages begaben sich zwei Freunde an die Ufer des Pennant, um Ottern zu jagen und als sie nahe zum Fluß gelangten, erblickten sie irgendein kleines Wesen von roter Farbe, das quer durch die Wiesen hurtig gegen den Fluß zulief.[49]

Sie eilten ihm nach und sahen, wie es zwischen den Wurzeln eines Baumes am Ufer sich verkroch, um dort sich zu verbergen. Die beiden Männer dachten, daß es eine Otter wäre, obgleich sie nicht begreifen konnten, wieso sie ihnen von roter Farbe erschien. Sie wünschten diese lebend einzufangen und einer von ihnen begab sich daher nach einer Bauernhütte in der Nähe, um dort einen Sack auszuleihen, damit er darin das Wesen fangen könnte.

Nun waren zwei Löcher unter den Wurzeln des Baumes und indes der eine den Sack mit der Öffnung über das eine hielt, steckte der andere seinen Stock in das zweite Loch und das Geschöpf lief so in den Sack.

Die zwei Männer glaubten eine Otter gefangen zu haben, was sie als nicht geringes Kunststück ansahen. Sie machten sich nach Hause auf, doch ehe sie noch ein größeres Stück gegangen waren, begann der Gefangene im Sack mit einer traurigen Stimme also zu ihnen zu sprechen:

»Meine Mutter ruft mich! Ach, meine Mutter ruft mich!«

Dies jagte den beiden Jägern so gewaltigen Schrecken ein, daß sie mit einem Mal den Sack zur Erde warfen. Doch wie groß war ihre Überraschung, einen kleinen Mann in roter Joppe daraus hervorstürzen und gegen den Fluß zu flüchten zu sehen! Er entschwand alsbald ihren Augen hinter den Büschen am Flusse.

Die beiden Männer waren arg erschrocken und hielten es für das klügste heimzugehen, statt mit der Koboldfamilie sich weiter einzulassen.


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Der Eigentümer einer Hütte in jener Gegend hatte einen kleinen Teil des Berghangs neben seinem Heime beackert, in der Absicht Kartoffeln zu pflanzen; was er auch tat. Dabei bemerkte er auf einem Baume, unfern von seinem Acker, das Nest einer Saatkrähe und er[50] dachte, daß es am klügsten wäre, das Nest zu zerstören, ehe die Krähen sich vermehrt haben würden.

Daher erkletterte er den Baum und zerstörte das Nest. Als er darauf herabstieg, gewahrte er einen grünen Kreis – einen Feenring – rings um den Baum und innerhalb dieses Kreises erspähte er zu seiner großen Freude ein funkelndes Goldstück.

Als er am folgenden Tage zur selben Stelle kam, fand er ein anderes Goldstück auf dem gleichen Flecke, wie gestern. Und so geschah es durch mehrere Tage; doch eines Tages erzählte er einem Freunde von seinem Glücke und zeigte ihm auch die Stelle, wo er an jedem Morgen das Goldstück gefunden hatte.

Aber am nächsten Morgen, da fand sich für ihn weder ein Goldstück, noch sonst irgend etwas. Denn er hatte die Gesetze des Feenvolkes verletzt, indem er ihre Freigebigkeit bekannt gemacht. Denn diese sind der Meinung, daß die linke Hand nicht zu wissen brauche, was die rechte tue.

Quelle:
Brusot, M.: Keltische Volkserzählungen. HalleSaale: Otto Hendel, 1908, S. 47-51.
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