7. Der Riese und sein Knecht.

(Aus Tanen.)

[181] Es war einmal ein Junge, der auf die Wanderschaft gieng und an eine Stelle kam, wo ein Riese wohnte. Der Riese fragte den Jungen, ob er als Knecht bei ihm in Dienst treten wollte, und dieser gieng darauf ein. Am darauffolgenden Tage beabsichtigte der Riese, wie er immer zu thun pflegte, seine Stärke gegen den Jungen zu versuchen und sagte daher zu ihm: »Komm mit in den Wald hinaus!« Der Junge wollte nicht gleich den ersten Tag mitgehen, sondern that dies erst den zweiten Tag. Als sie nun im Walde waren, sprach der Riese zu dem Jungen: »Wenn wir mit dem Kopf gegen ein Föhrenstamm rennen, so können wir scheu, wer von uns den stärksten Schädel hat.« – »Nur zu!« sprach der Junge, und so lief jeder von ihnen mit dem Kopf gegen eine Föhre. Der Kopf des Jungen gieng bis an die Ohren in den Stamm hinein; denn er war so listig gewesen, den Tag vorher in den Stamm ein Loch zu bohren und dies mit Rinde wieder zuzudecken. Als aber der Riese gegen die Föhre stieß, so flog nur die Borke los. »Ei der Tausend, stoß noch einmal, rief der Riese und setzte sich nieder, ein wenig wirr im Kopf; stoß noch einmal, gegen einen Föhrenstamm!« Der Junge that wie ihm geheißen, und wiederum gieng sein Kopf in einen solchen Stamm hinein, in den er gleichfalls ein Loch gemacht hatte. »Schau, schau! rief der Riese; jetzt kann man mir wohl glauben, daß ich einen Knecht bekommen habe, der so stark ist wie ein Stier! wir wollen nun weiter gehen.« Sie waren nicht lange gegangen, da sprach der Riese: »Nun wollen wir einmal sehen, wer am lautesten rufen kann;« und zugleich erhob er ein so lautes Geschrei, daß rings umher die Berge einstürzten. Der Junge gieng in ein Weidengebüsch und suchte sich da einen Reifstab aus. »Was willst du damit anfangen?« fragte der Riese. – »Ja, sagte der Junge, während er den Reifstab glatt schnitzte, ich will der Sicherheit wegen dir erst diesen Reifen um den Kopf legen, ehe ich zu schreien anfange; ich bin bange, daß er dir sonst springen könnte!« – »Nicht doch, bester Junge! bat der Riese; schrei lieber nicht, denn mein Kopf ist etwas schwächlich. Komm nur weiter!« Sie waren aber nicht lange gegangen, so sprach der Riese[181] wieder: »Nun wollen wir sehen, wer von uns im Werfen am tüchtigsten ist. Sieh, hier habe ich einen Hammer von fünf Centnern.« – »Ja, sprach der Junge, wir wollen nur einmal einen Wurf versuchen.« So warf denn der Riese den fünf Centner schweren Hammer so hoch in die Luft, daß er nicht größer aussah als eine Mücke. Hierauf sollte der Junge werfen; als er aber den Hammerschaft ergriff, war dieser gerade so breit, daß er ihn aufstellen konnte. Indem er ihn nun so fest hielt, sah er zum Himmel empor. »Was hast du zu gucken? fragte der Riese; warum wirfst du nicht?« – »O, sagte der Junge, ich sehe bloß zu, in welchen Wolkenhaufen ich ihn werfen soll. Soll ich ihn in einen werfen, der still steht, oder in einen, der vor dem Winde treibt? – »Nicht doch, lieber Junge! bat der Riese; wirf nicht meinen Hammer; ich habe ihn von meinem Großvater geerbt. Komm lieber nach Hause.« Dazu war der Junge sehr gern bereit, und so kehrten sie nach Hause zurück. Als es nun Abend wurde, führte der Riese den Jungen in ein abseits liegendes Haus und sagte, daß er da sein Nachtlager haben sollte. »Wann ist dein Schlaf am tiefsten?« fragte der Riese im Fortgehen. – »Um Mitternacht,« antwortete der Junge und legte sich nieder. Als aber der Riese fort war, stand er wieder auf, holte von draussen eine Anzahl großer ungespaltener Holzkloben herein und legte sie unter die Bettdecke. Er selbst gieng wieder hinaus, bohrte ein Loch in die Wand und legte sich auf die Lauer. Um Mitternacht kam der Riese mit seinem Schmiedehammer und begann auf die Bettdecke loszuhämmern, so daß die Kloben knackten und krachten; er dachte, es wären die Knochen, die er dem Jungen zerschlüge, und gieng dann in sein Haus zurück. Als er fort war, kam der Junge wieder herein, warf die Klötze vor die Thür und kroch unter die Decke, wo er bis zum Morgen in Frieden schlief. »Hast du heute Nacht geträumt?« fragte ihn der Riese am andern Tage. – »Nein, antwortete der Junge; ich habe nicht geträumt; einmal freilich war mir so, als ob mich eine Laus bisse.« Den folgenden Abend brachte der Riese den Jungen wieder zu Bett; aber da er fortgegangen war, stand der Junge auf und legte die Holzkloben ins Bett wie das erste Mal. Bei Nacht kam der Riese, zündete Feuer unter dem Bette an und gieng seines Weges. Bald darauf trat der Junge wieder herein und löschte das Feuer aus, gleichwohl aber verbrannte die Hälfte des Bettes, die Hälfte des Rennthierfelles, welches zu unterst darin lag und die Hälfte der Pelzdecke. Der Junge kroch indess unter die halbe Decke und schlief den Rest der Nacht in Frieden. Des Morgens kam der Riese und rief dem Jungen zu: »Hast du auch heute noch nichts geträumt?« – »Nein, antwortete der Junge; ich habe[182] nichts geträumt; einmal freilich war es mir, als hörte ich einen Windstoß vorbei sausen.« Der Riese fieng nun an vor dem Jungen Furcht zu haben und dachte in seinem Sinn, es wäre wohl am besten, wenn er ihn mit guter Manier sich vom Halse schaffte, ehe es noch schlimmer würde. »Komm nur, sagte er zu ihm, ich will dir deinen Lohn bezahlen; ich brauche dich nicht länger.« – »Bis jetzt hast du mich noch zu sehr wenig gebraucht, meinte der Junge; aber wie du willst.« Sie giengen also mit einander fort und der Junge nahm einen dreischeffligen Sack mit sich. Der Riese schüttete erst éine Schaufel mit Silbergeld hinein und fragte: »Kannst du noch mehr tragen?« – »Warum nicht? antwortete der Junge, schütte noch eine Schaufel hinein; Geldbürde ist leicht zu tragen.« Der Riese schüttete also noch eine Schaufel hinein und sprach: »Du musst aber alles auf einmal mit dir forttragen, ohne etwas unterwegs zurückzulassen; ich komme nach und sehe zu, ob du etwas abgelegt hast.« Der Junge gieng fort, aber da er über einen Berg weg war, leerte er die Hälfte des Sackes aus. Dieses Geld sah der Riese, der ihm nachgegangen war, am Wege liegen, lief also wieder zurück, holte seine Frau und sie machten sich zusammen hinter dem Jungen her. Als sie ihm nahe waren, warf er ein Blatt hinter sich, welches er von einem Baume in des Riesen Garten genommen hatte. Dieses Blatt wurde zu einem großen und so dichten Walde, daß der Riese nicht durchkommen konnte. Er musste also seine Axt holen und sich einen Weg durchhauen, worauf er den Jungen weiter verfolgte. Fast hatte er ihn erreicht, als der Junge einen Feuerstein hinter sich warf, der sich in einen großen Berg verwandelte, so daß der Riese seinen großen Bohrer holen musste, womit er ein Loch durch den Berg bohrte. Wiederum verfolgt warf der Junge ein Stück Schwefel hinter sich, das zu einem See wurde. Der Riese, der ihn nicht umgehen konnte, holte deshalb noch seine Tochter herbei, worauf er mit dieser und seiner Frau den See auszutrinken anfieng, während der Junge auf der andern Seite saß. Sie tranken und tranken in einem fort und bald war fast nichts mehr übrig. »Halt mir das hintere Ende zu, sagte die Riesin zu ihrer Tochter, dann will ich es versuchen, den Rest auszutrinken.« In demselben Augenblick kam ein junger Rabe hinter einem Felsen hervor und fieng an zu hopsen und zu tanzen und sich auf so schnurrige Weise zu benehmen, daß die Tochter des Riesen schließlich weder sich noch des Hinterende der Mutter länger halten konnte, sondern plötzlich in ein heftiges Lachen ausbrach und jenes losließ. Da lief dann alles Wasser wieder aus der Alten heraus, und alle drei ertranken in dem See.[183]

Quelle:
Liebrecht, Felix: Lappländische Märchen. In: Germania 15, Wien 1870, S. 181-184.
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