XLIII. Stalo und der reiche Paal.

[175] (Aus Lyngen.)


Ein Stalo kam auf seinen Streifzügen einmal über das Nordnäs-Gebirge hinab, auf der östlichen Seite des Storfjords (in Lyngen), wurde aber noch rechtzeitig von den Bewohnern des Nordnäs-Hofes bemerkt, so daß sie die Flucht ergreifen und alle Boote, die sich am Strande befanden, mit sich nehmen konnten. Stalo hatte somit kein Fahrzeug, mit dem er über den Fjord hätte setzen können; in Ermangelung eines Bootes machte er sich ein Floß und begann nun mit diesem über den Fjord zu rudern.

Als die Bewohner auf der westlichen Seite des Fjords Stalo auf dem Floße daherkommen sahen, bemächtigte sich ihrer großer Schrecken; ein Mann jedoch auf dem Hofe Öxvig, Namens Paal, der seines Reichthums wegen »der reiche Paal« genannt wurde, hatte den Muth, ihm entgegen zufahren. Er nahm Fischzeug mit sich in das Boot und ruderte Anfangs herum, als ob er Kohlfische fangen wollte.

Als Stalo sich gerade gegenüber dem Hofe Karnäs dem Lande näherte, rief der reiche Paal ihm zu und fragte ihn, wohin er sich begeben wolle und was der Zweck seiner Reise sei. Stalo antwortete, indem er seinerseits fragte, ob ihm bekannt sei, wo der reiche Paal wohne.[176]

»Ja«, entgegnete der reiche Paal, »ich weiß es recht gut; was willst du denn von ihm?«

»Ich möchte versuchen, wer der Stärkere von uns beiden ist,« antwortete Stalo. »Wenn ich ihn überwinde, soll sein Reichthum mir gehören; gewinnt aber er, so bekommt er das ganze Silber, welches ich besitze.«

»Das wird dir ein Leichtes sein, ihn zu überwinden,« sprach der reiche Paal, »denn er ist mehr reich als stark.«

Voll Freude hierüber, bat nun Stalo den Fischer, ihm den Ort zu zeigen, wo der reiche Paal wohne. Die Sonne stand gerade mitten drinnen über dem Fjord.

»Dort gerade unter dem Sonnenauge!« antwortete der reiche Paal.

Da die Sonne dem Stalo gerade ins Gesicht schien, konnte er das Land nicht gut sehen und mußte daher mit den Händen die Augen beschatten, um den Ort finden zu können. Dies bemerkte Paal; er nahm schnell seinen Bogen zur Hand und schoß dem Stalo einen Pfeil durch die Schultern. Hierauf bemächtigte er sich des Gürtels Stalo's und all der kostbaren silbernen Gegenstände, welche an demselben hingen. Den Leichnam brachte er nach Skogholm, legte ihn unter vorspringendes flaches Gestein und überdeckte das Ganze mit einem Haufen kleinerer Steine. Auch hier behaupten die Lappen, daß ihre Voreltern menschliche Gebeine gefunden hätten. Der Hof, auf dem Paal wohnte, heißt noch heutigen Tages »der Paalsplatz.«

Quelle:
Poestion, J. C.: Lappländische Märchen, Volkssagen, Räthsel und Sprichwörter. Wien: Verlag von Carl Gerolds Sohn, 1886, S. 175-177.
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