[407] 860. Der Einsiedler in Differt.

A. Am südlichen Abhang des Hammberges, eine Viertelstunde von Ehnen, lag ehedem eine Klause, die zuzeiten von einem Einsiedler bewohnt war. Als derselbe einst abwesend war, brachen Diebe in die Klause ein, um zu stehlen. Unterdessen kam der Einsiedler zurück, sah die Diebe, ließ sie ruhig gewähren und hieß sie dann, sich an das angezündete Feuer setzen. Sie taten's. Bald aber wurde die Hitze so groß, daß sie für gut fanden, sich weiter vom Feuer zu entfernen. Wie erstaunten sie aber, als sie nicht mehr von der Stelle kamen und wie an die Erde festgenagelt waren. Der Einsiedler schürte immer das Feuer und die Bösewichte troffen in unausstehlicher Hitze von schrecklichem Schweiß. Endlich hob der Einsiedler den Bann, der die Diebe festhielt, gab ihnen einen strengen Verweis wegen ihres bösen Lebenswandels und entließ sie zuletzt, nachdem sie versprochen hatten, nie mehr zu stehlen.


Lehrer Linden zu Rollingen


B. Vor einigen Jahren noch konnte man in einem unweit Stadtbredimus, und an der Mosel gelegenen Weinberg, genannt Diefert, die Überreste einer alten, zerfallenen Klause bemerken.

Gegen Mitte des vorigen Jahrhunderts lebte dort ein frommer, gottesfürchtiger Mann mit Namen Antonius, der überall in der ganzen Gegend geliebt und geehrt wurde. Bruder Anton besaß, wie der Volksglaube erzählt, neben andern übernatürlichen Gaben auch jene des »Stehentuns« oder »Bännens«, und er brauchte nur seinen Hut auf den Wacholderstab, dessen er sich stets bediente, zu setzen und eine kleine Gebetsformel herzusagen, um den Bezeichneten an die Stelle, wo er stand, festzubannen.

So geschah es, daß eines Tages – es war eben hohes Fest in dem benachbarten Dorfe Greiweldingen und Bruder Anton war dorthin gegangen, um seinem Gott zu huldigen – zwei Burschen in die Zelle eindrangen und nach[407] den dort vermeintlich verborgenen Schätzen in allen Ecken stöberten und wühlten.

Nach langem, vergeblichem Suchen waren sie eben beschäftigt, mit einigen geringeren Wertsachen, einem silbernen Kruzifix, einer geschriebenen, alten Bibel, das Weite zu suchen, und hatten schon die tiefer gelegene Talwiese erreicht, als Bruder Anton, der, eben von Greiweldingen herkommend, den sogenannten Primelberg herniederstieg, ihrer ansichtig wurde. Sie wollten fliehen, aber der Klausner, ahnend, was geschehen war, sprach die verhängnisvolle Gebetsformel und bannte die beiden Eindringlinge fest. Er nahm ihnen den Raub ab und erst nach einiger Zeit, als jene flehentlich baten und versprachen, den betretenen Weg der Gottlosigkeit zu verlassen und sich zu besseren Gesinnungen zu bekehren, löste er den Bann. Heute noch trägt die Stelle, wo sich dieses zugetragen hat, den Namen »an der Bannwies«.


J. Weyrich aus Ehnen

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 407-408.
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