[435] 919. Das verhexte Sieb.

Beim Durchmarsch der Kaiserlichen durch unser Land nach den Niederlanden geschah es, daß Soldaten in dem Dorf[435] Frassem bei Arlon im Quartier lagen. In dem Hause Hengen knüpfte ein Korporal eine Liebschaft mit der Magd des Hauses an. Auf einmal kam der Befehl zum Abmarsch, was dem Korporal sehr unangenehm war. Er sagte zu dem Mädchen: »Es tut mir leid, von hier wegzuziehen; gib mir doch einige deiner Haare, damit ich ein Andenken von dir habe.« Das Mädchen sprach ihrer Meisterin von des Soldaten Begehren und fragte, was sie tun solle. »Oben auf dem Speicher«, sagte diese, »hängt ein Sieb von Pferdehaar; zieh einige Haare heraus und übergib ihm dieselben. Er wird denken, es sei dein Haar, und wird dich in Ruhe lassen.« Das Mädchen tat, wie die Meisterin sie geheißen, wickelte die Pferdehaare in ein Stück Papier und gab sie dem Soldaten, der dieselben in seine Tasche steckte.

Als die Soldaten ungefähr eine Stunde fort waren da entstand plötzlich ein Geräusch auf dem Speicher in Hengen und die Treppe herab rollte das Sieb und wie der Wind lief es über die Landstraße, welche die Soldaten eingeschlagen hatten. Als es dieselben eingeholt hatte, rollte es dem Korporal auf die Schultern und so oft er es auch abwarf, gleich hing es, zur Belustigung der Kameraden, ihm wieder auf den Schultern. Ein Offizier fragte den Soldaten, ob er nichts in der Tasche habe, worauf dieser das Päckchen Haare hervorzog. »Wirf es weg«, sagte der Offizier. Der Soldat tat's und sofort blieb auch das Sieb auf der Stelle liegen.

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 435-436.
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