[505] 1049. Die Marieneiche auf dem Marienberg zu Ansemburg.

A. Der wohledle Herr von Ansemburg, so berichtet nach Herrn Dr. Nilles eine alte Ansemburger Familientradition, machte eines Tages einen Spaziergang nach dem gegenüberliegenden Berge, dem heutigen Marienberg. Zu seiner nicht geringen Überraschung fand er auf der Anhöhe an einem der dicksten Eichenstämme ein kleines Muttergottesbild, das ihm freundlich entgegenzulächeln und ihn zu sich zu rufen schien. Er trat mit seiner Begleitschaft näher hinzu, verrichtete knieend ein andächtiges Gebet zu Ehren der göttlichen Mutter, nahm das Bildchen ehrerbietigst vom Baume herunter und ließ es noch am nämlichen Tage nach der Pfarrkirche von Tüntingen bringen, wo demselben vom würdigen Pfarrer der ihm gebührende Platz angewiesen wurde. Am anderen Morgen jedoch war das Bild verschwunden, und schon vermutete man eine gottesräuberische Entwendung des Heiligtums, als gegen Abend ein Abgesandter des Herrn von Ansemburg das Bild mit der Versicherung zurückbrachte, man habe es vor einigen Stunden wieder am nämlichen Baume, wie tags zuvor, entdeckt. Als sich aber auch am zweiten und dritten Tage dasselbe wiederholte, und die trotz aller getroffenen Vorsichtsmaßregeln aus der Kirche verschwundene Statue sich jedesmal am nämlichen Baume wiederfand, da glaubte man den Finger Gottes nicht länger verkennen zu dürfen. Die Eiche samt dem ganzen Berg wurde nun dem Dienste der Mutter des Herrn geweiht. In den ungeheueren Stamm ward Altar und Kapelle eingehauen, dem Berge aber von dem Tage an der Name Marienberg gegeben.


Publications etc. XVI, 98


[505] B. In der Nähe des Schlosses Ansemburg, an der Stelle, wo sich jetzt die Muttergotteskapelle auf dem Marienberg erhebt, stand eine alte, ehrwürdige Eiche. Einst ging hier die Gräfin von Ansemburg spazieren und, von schwerem Kummer gedrückt, seufzte sie laut auf. Als sie sich der Eiche näherte, öffnete sich der Baum, und aus ihm trat ein niedliches Muttergottesbild, das der Gräfin sanft zuzulächeln schien. Sogleich rief sie ihre Dienerinnen, die sich in einiger Entfernung befanden, und befahl ihnen, das Bild in die Schloßkapelle zu tragen. Später ließ sie eine Kapelle an eben dem Orte erbauen, wo sie das Bild gefunden hatte, und dieses hineinsetzen.


Lehrer Conrad zu Hohlfels

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 505-506.
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