[521] 1080. Die abgeschnittene Hand zu Wormeldingen.

Auf dem Galgenberge auf der rechten Seite der Mosel, Wormeldingen gegenüber, war einst ein Verbrecher gehängt worden. Am Abend desselben Tages unterhielten sich in einem Wirtshause zu Wormeldingen mehrere durch den Genuß des Weines stark angeheiterte Burschen mit Aufzählung ihrer verwegenen Taten und bestandenen Abenteuer. Als einer dieser Helden jedoch bei den übrigen keinen Glauben fand, erbot er sich, zum Beweise seines Mutes, sich in derselben Nacht noch auf den genannten Berg unter den Galgen zu begeben und ein untrügliches Wahrzeichen von dort mitzubringen. Man ging auf den Vorschlag ein. Er entfernte sich sogleich, kam zurück und brachte – die abgeschnittene rechte Hand des Gehenkten; seine Kameraden schalt und verlachte er, als diese sich vor der Hand des Verbrechers gewaltig entsetzten.[521] Um seine Beherztheit noch weiter zu zeigen, faßte er mit der toten Hand sein Glas und trank. Als er sich jedoch der Hand entledigen wollte, konnte er sie nicht mehr los werden: sie war an seine eigene Rechte wie angewachsen. Nun erst gingen ihm ob seiner Freveltat mit Schrecken die Augen auf. Er bereute dieselbe sehr und gelobte, wenn er von der toten Hand befreit würde, sie wieder an ihren Ort zurückzubringen und zur Sühne und Buße eine Wallfahrt zu machen. Alsbald entfiel sie seiner Hand, und er säumte nicht, sein Versprechen auszuführen. Er starb indessen noch im selben Jahre infolge des ausgestandenen Schreckens.


Lehrer Linden zu Rollingen

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 521-522.
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