[541] 1114. Eroberung der Burg Fels.

Nach dem Erlöschen der männlichen Linie der Herren von Fels kamen deren Besitzungen an Ritter Walther, der von nun an als Burgherr unumschränkte Gewalt ausübte und keinen Oberlehnsherrn anerkennen wollte. Das verdroß den Grafen Johann von Luxemburg, König von Böhmen, und er sandte einen Hauptmann mit Truppen vor die Burg Fels mit der Weisung, den trotzigen Ritter aufzufordern, sich dem Könige zu unterwerfen, und im Weigerungsfalle die Burg zu erstürmen.

Als das Kriegsvolk gegen Fels heranzog, befand sich Walther in Italien; aber sein treuer Burgwart, dem er bei seiner Abreise die Verwaltung seiner[541] Herrschaft übergeben, traf schnell alle Vorkehrungen, um die Feste in Verteidigungszustand zu setzen. Es gelang ihm, die Anstürmenden zu wiederholten Malen von den Mauern der Burg zurückzuschlagen. Allein da die Belagerung sich in die Länge zog und die Lebensvorräte rasch zusammenschmolzen, so wurde die Lage bald sehr mißlich. Alles Vieh in der Burg war bereits geschlachtet und aufgezehrt. Nur ein Ochse war noch übrig. Auch diesen befahl der Burgwart zu schlachten, den Magen zu leeren, und mit Weizen anzufüllen und denselben während der Nacht über die Mauern zu werfen. Als die Feinde am Morgen den Magen fanden und den Inhalt desselben sahen, gaben sie die Hoffnung auf, die Burg durch Hunger zur Übergabe zu zwingen, und zogen ab.

Durch diesen Erfolg wurde Walther noch trotziger und wollte sich unter keiner Bedingung dazu verstehen, dem Könige den Lehnseid zu leisten. Da zog dieser selbst mit einer Abteilung seines Kriegsvolkes heran, und da Walther auch jetzt sich nicht unterwerfen wollte, begann sofort die Bestürmung seiner Burg. Er wehrte sich wie ein Löwe, aber was vermochte seine geringe Zahl gegen die Übermacht? Bald loderte die Flamme aus der erstürmten Burg empor. Da, mit einem verzweifelten Sprunge durchbrach Walther die Reihen seiner Angreifer und stand wildblickend am Rande des tiefen Burgbrunnens. »Lebend«, schrie er wütend, »sollt ihr mich nicht haben!« und stürzte sich in den gähnenden Abgrund. Sein treuer Burgwart, welcher nicht von seiner Seite gewichen war, suchte den Rasenden zurückzuhalten, beugte sich aber zu weit vor und stürzte, von der Last der Rüstung hinabgezogen, seinem Herrn in die Tiefe nach.

So kam Burg Fels in die Gewalt Johanns des Blinden.


H.A. Reuland

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 541-542.
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