[66] 135. Der Hexenbaum im Grünewald.

Im Grünewald bei Eisenborn war ein alter Herr, der viel Gesinde hatte und unter diesem einen kleinen Knecht, der jeden Abend mit den Ochsen in den Wald fuhr und sich unter einem Baum in seine Decken einhüllte, während er die Ochsen weiden ließ. Eines Abends lag er auch unter einem großen Baum, als er über sich in den Ästen und Zweigen einen Lärm vernahm, als seien alle Eulen des Waldes auf dem Baume. Der Knecht zitterte vor Angst, warf sich auf die Knie und betete, so gut er konnte, bis das höllische Geräusch aufhörte. Die Ochsen hatten sich im Walde zerstreut und er mußte lange suchen, bis er sie wieder zusammenhatte und nach Hause treiben konnte. Als die Ochsen im Stalle waren, fühlte der Knecht Schmerzen in der rechten Schulter; er wimmerte so sehr, daß der alte Herr ihn hörte, aufstand und fragte, was ihm fehle; der Knecht erzählte, wie es ihm ergangen. Der Herr nahm ein Buch und betete drei Tage lang; endlich, am dritten Tage, fühlte der Knecht keine Schmerzen mehr. »Es war dein Glück, daß du so gut unter dem Baume gebetet hast«, sagte der Herr, »die Hexen waren auf dem Baume, aber sie hatten keine Macht über dich. Hättest du nicht so gut gebetet, so wäre es dir schlecht ergangen und ich hätte dir nicht helfen können«.


N. Gonner

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 66.
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