[116] 262. Die Patersgriècht beim Schloß von Ewerlingen.

A. In der Nähe des Schlosses von Ewerlingen gehen nachts Mönche in der Patersgriècht um. Die Großmutter unseres Gewährsmannes erzählt, sie sei einst von einem der Mönche verfolgt worden; derselbe habe beständig hinter der Flüchtenden her auf den Bogen geschlagen. Zu Hause angekommen, sei die Geängstigte ohnmächtig zusammengebrochen.


J.-B. Klein, Pfarrer zu Dalheim


B. Hart an der Landstraße, die von Ewerlingen nach Useldingen führt, befindet sich ein bewaldeter Abhang, den eine tiefe, weite Schlucht durchzieht.[116] Lange ging die Sage unter den Leuten, daß in dieser Schlucht zwei Patern umgingen, und heute noch wird sie »Patersgriècht« genannt.

Bei der Abenddämmerung gingen die beiden Patern aus ihrem dunkeln Versteck hervor, kamen auf das flache Feld in der Richtung nach Schandel hin und machten ihren nächtlichen Gang auf dem Banne von Ewerlingen. Vor Sonnenaufgang kehrten sie durch die Schlassûcht, über die Attert hinwegschreitend, in ihr düsteres Versteck zurück.

Auf ihrer Runde beunruhigten sie hauptsächlich die Pferdehirten, die bei den grasenden Pferden ein hellaufloderndes Feuer angezündet hatten. Sobald die Hirten die gefürchteten schwarzen Gesellen in der Ferne erblickten, ergriffen sie schleunigst die Flucht und kehrten oft vor Tagesanbruch nicht zu den Pferden zurück. Die Patern zerstreuten das Feuer und löschten selbst die umherliegenden, glimmenden Kohlen.

Lange, lange Jahre trieben diese beiden ihren Spuk in dieser Schlucht und der Umgegend. Da beschlossen einst die Jünglinge von Ewerlingen, zusammen an einem bestimmten Abend ihre Pferde in die Nähe der Schlucht zur Weide zu führen, ein großes Feuer anzuzünden und dann abzuwarten, was doch die Patern mit ihnen anfangen würden. Beim plötzlichen Erscheinen der Patern schauten die Jünglinge verblüfft einander an und keiner wagte, sich von seiner Stelle zu bewegen. Die beiden traten lautlos ans Feuer und die Jünglinge bemerkten mit Schrecken, wie die schwarzen Gestalten ihre blutroten Geisteraugen in den weiten Augenhöhlen rollten. Nachdem sie einige Zeit unbeweglich da gestanden, verließen sie sodann die Erschrockenen lautlos, wie sie gekommen, und ohne das Feuer zu zerstreuen, um ihren nächtlichen Gang fortzusetzen.

So gingen die Patern allnächtlich um bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts. Da hielt sich eine Zeitlang ein verbannter französischer Geistlicher in Ewerlingen auf. Dieser hörte von dem nächtlichen Spuk und versprach, im Verein mit einem Klausner die Bewohner von Ewerlingen von den lästigen Kutten zu befreien. Beide gingen vor Sonnenaufgang nach Useldingen zu. Der Geistliche trug einen derben Knotenstock. In der Nähe der Patersgriècht gewahrten sie die beiden schwarzen Gesellen in der Schlassûcht daherkommen. Bei ihrem Anblick befiel den Klausner große Angst und er machte sich schleunigst davon, während der Geistliche auf die beiden Kommenden losging.

Es währte nicht lange, so hatte der Geistliche den Klausner wieder eingeholt, und indem er ihm nur mehr ein kleines Stück von dem langen Stocke vorzeigte, sagte er: »Die hab ich mal geknackt, sie werden nie mehr erscheinen«.

Seither wurden auch wirklich die so gefürchteten Männer nie mehr gesehen.

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 116-117.
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