[167] 390. Der wilde Jäger und der Geisterreigen zwischen Knaphoscheid und Dönningen.

Der Weg, welcher Knaphoscheid und Dönningen verbindet, zieht sich fast von einem Ende zum andern auf einer Hochebene zwischen zerstreut liegenden Hecken und Gebüschen dahin und führt auf halber Strecke in einer Talung durch einen kleinen, hochstämmigen Buchenwald. Wenn der nächtliche Wanderer an dieser Stelle angelangt ist, dann entsteht plötzlich ein furchtbares Krachen, als wollten alle Bäume entzweibrechen und über einen Haufen zusammenstürzen. Vor Schrecken gelähmt, versagen ihm Stimme und Füße den Dienst und an seiner Seite gewahrt er plötzlich einen Jäger mit Flinte und Hund. Von unwiderstehlicher Gewalt hingezogen, folgt er seinem stummen Begleiter einige Schritte seitwärts hinab bis an den Rand einer kleinen Lichtung, die eine Art Wiese bildet, durchrieselt von dem trüben Wasser des spärlichen Waldbaches. Wie festgebannt bleibt er neben seinem Wächter stehen. Da plötzlich wird es hell, so daß der ganze Wald in einem Lichtmeer zu schwimmen scheint. Eine große Schar weißgekleideter Gestalten taucht vor des erstaunten Wanderers Augen auf, die einen brennende Lichter tragend, die anderen einen Reigentanz über den Bach ausführend und zuweilen in die Hände klatschend. Nach einer Weile[167] verschwinden die Geister samt dem Jäger. Gleich darauf tritt ein Mann ohne Kopf auf mit einem schweren Grenzstein unter dem Arm, der mit dem kläglichen Rufe: »Wohin soll ich den Stein setzen?« über Stock und Stein umherstolpert. Dieser Unglückliche hat wegen Grenzsteinverrückung seinen Kopf eingebüßt und muß solange als Geist umgehen, bis es ihm gelingt, den Grenzstein wieder an seinen Ort zu bringen.

Vor vielen Jahren hat ein Mann aus Dönningen dieses Abenteuer bestanden. Schweißtriefend und an allen Gliedern zitternd kam er zu Hause an und legte sich krank zu Bette. Am anderen Morgen hatte er sein Haupthaar verloren und hieß von der Zeit an »de Plâkegen«.

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 167-168.
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