[176] 410. Das Kaschtelmännchen bei Niederkorn.

[176] In der Nähe von Niederkorn ließ sich vorzeiten sehr oft an verschiedenen Stellen lautes Jagdgeschrei vernehmen, ohne daß man die geringste Spur eines lebendigen Wesens gewahrte außer einer großen Zahl von Hunden, die jedoch nicht den geringsten Laut von sich gaben. Einst mähten mehrere Arbeiter nachts im Hechtenperchen, als sie plötzlich das Jagdgeschrei des unsichtbaren Jägers, des Kaschtelmännchens vernahmen. Sein lautes Puh, hei! schallte unheimlich durch die Nacht. Die Mäher fürchteten sich vor dem immer näherkommenden Jäger. Einer von ihnen jedoch wollte sich als ein Mann von Herz zeigen. Als der Lärm schon sehr nahe gekommen und bereits ein ganzes Rudel von Hunden an den Arbeitern vorübergejagt war, rief dieser dem Jäger zu: »Du jagst und jagst und hast doch nie einen Hasen!« Kaum hatte der Mäher diese Worte gesprochen, als er plötzlich von einer unsichtbaren Hand derb mit einem Hasen um die Ohren geschlagen wurde. Noch lange Zeit nachher schmerzte ihn der Kopf.

Ein andermal hielten mehrere Männer Nachtwache bei ihren weidenden Pferden. Zum Zeitvertreib zündeten sie ein Feuer an, brieten Kartoffeln und unterhielten sich mit verschiedenen Gesprächen. Auf einmal hörten sie mitten unter ihren Pferden das Pfeifen des unsichtbaren Jägers; Schüsse fielen und Hunde liefen umher. Einer der Wächter wollte sich beherzt zeigen und rief dem Jäger zu: »Halts Maul und komm ans Feuer ausruhen!« Da fiel plötzlich ein Schuß ins Feuer, so daß alles Brennmaterial auseinanderflog und die Kartoffeln nach allen Seiten rollten. In ihrer Angst und Verwirrung liefen die Wächter nach ihren Pferden, schwangen sich auf das erste beste und eilten davon. Als sie am anderen Tage den Weideplatz durchsuchten, fanden sie vom Feuer keine Spur mehr, die umherliegenden Kartoffeln aber waren alle kohlschwarz.


Lehrer Walch zu Niederkorn

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 176-177.
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