[190] 437. Der Nachtreiter bei Rodingen.

Ein Schreiner aus Rodingen hatte den Tag über in Petingen gearbeitet und wollte abends nach Hause zurückkehren. Eben schickte er sich an, in den Wiesen zwischen Rollingen und Petingen den Grundmühlenbach zu überschreiten, als hinter ihm ein weißer Reiter in rasendem Galopp dahergesprengt kam. Den Scheiner befiel große Angst, noch größer aber wurde sein Schrecken, als der Reiter ihn eingeholt hatte und nun sein Tier im Schatten neben ihm gehen ließ. So ging es eine gute Weile und immer blieb der geheimnisvolle Reiter an der Seite des Fußgängers. Endlich faßte sich dieser ein Herz und murmelte halblaut vor sich hin: »Was zum Henker will doch der mit dir, daß er stets an deiner Seite reitet?« Kaum hatte er das gesagt, als der Reiter plötzlich sein Tier (Roß kann man nicht sagen, weil das Ungetüm keinem Pferde ähnlich sah) eine halbe Schwenkung machen ließ und, dem Schreiner den Weg versperrend, rief: »Sieh dieses Tier! Hast du schon ein solches gesehen? Wenn ich wollte, im Nu hätte es dich verschlungen.« Sprach's und sprengte von dannen.

Am andern Tag war der Mann katzgrau; ein solch abscheuliches und fürchterlich häßliches Tier, sagte er, habe noch kein menschliches Auge gesehen; es lasse sich gar nicht beschreiben.


Lehrer P. Hummer

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 190.
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