[214] 494. Die beraubte Schießunke.

In der Umgegend der Schoreburg bei Eschet hatte sich ein armer Holzhacker in dem Schatten eines Baumes niedergelassen um sein Mittagsschläfchen zu halten. Plötzlich wurde er durch ein Geräusch und Geschwirre aufgeweckt. Er schlug die Augen auf und sah über sich in der Luft eine Schießunke (Schießschlange) fliegen. Er verfolgte sie mit dem Blicke, ohne die mindeste Bewegung zu machen. Da sah er wie die Unke zu wiederholten Malen Gold in einen Pferdekopf trug. Nachdem der Holzhacker sich genau gemerkt, in wie langen Zwischenräumen die Unke wiederkehrte, machte er sich, als diese sich wieder entfernt hatte, auf, bemächtigte sich des Goldes und eilte davon.[214]

Als die Unke zurückkehrte und sah, daß der Schatz gestohlen war, schlug sie so lange mit ihrem Kopf wider einen Baum, bis sie tot hinfiel. Hätte der Mann noch länger gewartet, so hätte die Unke noch viel Gold gebracht, aber es schien zu gefährlich, noch länger zu warten, aus Furcht, von der Unke entdeckt zu werden; denn bekanntlich durchbohren die Unken jedem Menschen, der sich ihnen entgegenstellt, das Herz. Wenn die Unke den Mann bemerkt hätte und auf ihn los gegangen wäre, dann wäre nur ein Mittel der Rettung übrig geblieben: die Axt mit dem Rücken an sein Herz zu legen, so daß die Schärfe der Unke zugewendet gewesen wäre. Die Unke hätte sich dann selber den ganzen Körper gespalten.

Das Gold aber, welches die Unke in den Pferdekopf getragen, war von derselben in der Schoreburg gestohlen worden.

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 214-215.
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