[228] 530. Der unheilbringende Hund.

Als einst ein Mann aus Differdingen um Mitternacht auf der Longwyer Straße in die Nähe von Differdingen[228] gekommen war (der Ort wird Kahleberg genannt), gewahrte er einen großen, schwarzen Hund, der ihn mit feurigen Augen anstierte. Mit den Hinterbeinen saß derselbe auf einem Grabhügel, während er die Vorderbeine in die Höhe hielt und fürchterlich heulte. Bei diesem Anblick blieb der Mann entsetzt stehen und wagte weder vorwärts noch rückwärts zu gehen, sondern starrte unverwandten Blickes auf den Hund hin, dessen Geheul ihm durch Mark und Bein drang. Endlich ging er, die Augen auf die Erscheinung gerichtet, rücklings bis in den Wald (Kahleberg) und eilte, so schnell er konnte, nach Hause. Dort verfiel er in ein heftiges Fieber und schrie beständig: »Da sitzt er, da kommt er, o der Entsetzliche!« Als das Fieber gewichen, erzählte der Mann sein Abenteuer.

Da taten sich einige mutige Jünglinge des Dorfes zusammen und wohlbewaffnet mit Gewehren, Heugabeln oder Knütteln wagten sie sich beim Herannahen der Geisterstunde hinaus zum Kahleberg. Um Mitternacht sahen sie den großen, schwarzen Hund die Straße herabkommen und sich auf den Grabhügel niedersetzen, worauf er noch schrecklicher zu heulen anfing als tags zuvor. Dabei sprühten seine Augen Feuer. Von Schrecken ergriffen, warfen die Jünglinge ihre Waffen weg und entflohen. Nur einer blieb und schoß auf die Erscheinung, fiel aber sofort tot zur Erde.

So erschien der Hund vierzehn Tage lang (es war gegen Johannistag) und sein Geheul klang von Tag zu Tag kläglicher und furchtbarer. Niemand wagte sich mehr an die unheimliche Stelle. Im Dorfe brach eine Seuche aus und raffte fast alles Vieh weg. Öffentliche Gebete wurden abgehalten, aber umsonst. Fremde, die sich einfanden, um das Ungetüm zu erlegen, fielen, sobald sie den Schuß auf dasselbe abgegeben, tot nieder.

Als die Angst und das Elend im Dorfe aufs höchste gestiegen war, kam ein Leinwebergeselle ins Dorf, nahm eine Kugel, schlug sie in Kreuzesform und schoß nach dem Hunde. Sofort war er verschwunden und kehrte nie mehr zurück; und zur Stunde hörte auch die Seuche unter dem Vieh auf.

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 228-229.
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