[245] 573. Katzenrache.

A. Vorzeiten war es Sitte, daß man die Viehherden samt dem Hüter während der Sommernächte auf der Weide ließ. So lag auch einst nachts ein Kuhhirt aus Berdorf halb schlummernd, halb wachend, in seine Decke eingewickelt, hinter einer Hecke. Auf einmal krabbelt eine Katze an der Decke und miaut. Der Hirt nimmt seine Peitsche und peitscht drauf los. Im Nu saß die ganze Hecke voll Katzen und es entstand ein erbärmliches Geschrei. Der Hirt konnte nicht mehr bleiben, nahm seine Decke und trieb seine Herde nach Hause. Er ging in die Scheune, wo er sein Bett hatte, und begab sich zur Ruhe. Da füllte sich die ganze Scheune mit Katzen an und es erhob sich wieder ein jämmerliches Geheul. Als der Hirt, der endlich eingeschlummert war, am Morgen erwachte, war ihm der Kopf verdreht und das Gesicht zum Rücken gewendet. In diesem Zustand verblieb er vierzehn Tage lang. Da nahm er sich vor, jedes Jahr einen Bittgang nach Hemsthal und Flaxweiler zu machen, und sieh! sofort hatte sein Kopf die gewöhnliche Stellung wieder angenommen.


Luxemburger Land, 1883, Nr. 2


B. Zu Bissen sah ein Wagener auf dem Fensterstein seines Hauses eine häßliche Katze sitzen. Er nahm einen Span und warf nach derselben.

Um Mitternacht kam die Katze langsam auf das Brett des Wageners gekrochen und zog an der Decke. Der Wagener erwachte und warf die Katze schnell herab, aber in demselben Augenblick kratzten Hunderte von Katzen an der Decke, zogen ihn vom Bett herunter, schrieen erbärmlich und zerrten[245] ihn nach der Tür. Man rief den Pfarrer und erst als dieser kam, verließen die Katzen den schrecklich zugerichteten Mann.


C. Ein Mann von Vichten kam frühmorgens in den Stall, um die Pferde zu füttern. Da sah er eine große, schwarze Katze auf den Lenden eines seiner Pferde sitzen. Im Glauben, es sei des Nachbars Katze, schlug er mit der Mütze nach derselben, um sie zu vertreiben. Plötzlich verschwand die Katze; der Mann aber wurde von unsichtbarer Hand so barbarisch durch geprügelt, daß er laut schreiend zusammensank. Auf sein Geschrei kamen die Hausleute herbeigelaufen und brachten den vor Schmerz stöhnenden Mann auf das Bett, wo er viele Wochen krank lag, ehe er wieder genas. Die Schläge mußten von einer kleinen, dünnen Rute herrühren, denn der ganze Körper des Unglücklichen war mit kleinen, blauen Striemen überzogen.


D. Eines Abends kam der Schneider K. aus Schwebsingen von Remerschen. Auf dem halben Wege zwischen Remerschen und Wintringen begegnete ihm eine Katze. Dieselbe ging immer dicht vor ihm her, so daß er fast jedesmal auf sie trat. Als er nach Wintringen kam, ging er durch das Dorf. Die Katze jedoch blieb zurück. Plötzlich aber, als er Wintringen verlassen, war die Katze wieder da. Da faßte er sich ein Herz und stieß dieselbe mit dem Fuß. Alsbald war sie verschwunden. Er legte sich darauf, als er nach Hause kam, zu Bett; doch kaum hatte er die Augen geschlossen, als plötzlich das Fenster aufflog und ein ganzes Rudel Katzen ins Zimmer sprang. So geschah es jede Nacht, bis endlich der Tod den Mann erlöste. Man sagt, nichts habe diese Katzen vertreiben können. Erst einige Tage vor seinem Tode gab der Pastor ihm einen gesegneten Stein, welchen er abends unter die Katzen warf, worauf diese verschwanden.


E. Zwei Knechte aus Reckingen (Mersch) waren im Begriff, an den Pflug zu fahren. Auf ihren Pferden sitzend, fuhren sie eine kleine, hohle Gasse hinan. Oben angelangt, sahen sie zwei Katzen bei einer Hecke sich sonnen. Beide stiegen ab und hieben aus Leibeskräften mit ihren Peitschen auf die Katzen. Diese aber kamen auf sie zu, wurden größer und immer größer und drängten die Knechte rückwärts, bis dieselben in einem Weidenstock an der Eisch hangen blieben. Die Katzen wollten sie untertauchen, vermochten es aber nicht, da die Knechte mit »Teufelsgeißeln« versehen waren. Mit zerkratztem Gesicht kamen die Knechte davon. Kurze Zeit nachher kam eine Nachbarin einen der Zerkratzten besuchen; sofort erkannte er in ihr eine der Katzen, ergriff sie und warf die Hexe zur Tür hinaus.

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 245-246.
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