[268] 634. Die weiße Frau zu Ansemburg.

A. In der Nähe der Muttergotteskapelle auf dem Marienberg zu Ansemburg ward, so erzählt man, mehrmals eine große, weißgekleidete Frau gesehen, die, manchmal von einer Dienerin begleitet, auf und ab ging und schwer aufseufzte. Auch sei sie wiederholt mehreren Kindern begegnet; traurig und gesenkten Hauptes sei sie an ihnen vorübergegangen, ohne dieselben anzureden. Man hält die weiße Frau für die Gründerin der Kapelle.


Lehrer Conrad zu Hohlfels


B. Als zu Anfang dieses Jahrhunderts einst eine Jagdgesellschaft des Grafen von Ansemburg spät in der Nacht an der Muttergotteskapelle des[268] Marienberges vorüberzog, sah man plötzlich eine Frau in reicher, aber altmodischer Tracht, die dem Zuge ungefähr fünfzig Schritte weit folgte und dann verschwand. Während man nachher am fröhlichen Mahl im Rittersaal saß, dessen Wände die Bildnisse der alten Besitzer Ansemburgs zierten, fiel zufällig der Blick einer der Gäste auf ein Frauenporträt, das eine auffallende Ähnlichkeit mit jener Frau im Walde hatte. Man nahm das Bildnis herab und las auf der Rückseite: Marianna von Bidart, gestorben 1741. Es war kein Zweifel, die Erbauerin der Ansemburger Waldkapelle geht nachts um, ihr Heiligtum zu schützen.


L'Evêque de la Basse Moûturie 336

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 268-269.
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