[275] 653. Die weiße Jungfer von der Hölt bei Rosport.

In dem anmutigen, von der Sauer begossenen Tälchen, das unterhalb Rosport zwischen der Rosporter Hölt und der Ralinger Hölt liegt, wandelt in gewissen Nächten[275] eine große, geisterhafte Jungfrau in weißen Gewändern umher. Ihr schönes, blondes Haar wallt in langen Locken den Rücken herunter und ihre Rockärmel sind aufgeschürzt, als gehe sie zur Wäsche oder komme von dieser.

Sie steigt von den sogenannten Leien, die sich über dem waldigen Abhang der Hölt erheben, in das Tal hinunter und nähert sich den Trümmern eines Heiligenhäuschens, die einige hundert Schritt oberhalb der Ralinger Sauerfähre, hart an dem Saum der Hölt liegen. Dort geht sie dann einige Zeit schweigend vor der Hölt oder an dem Ufer der Sauer auf und ab spazieren. Zuweilen schwebt sie auch über die Sauer hinüber dem jenseits hinter Ralingen gelegenen Sauerborn, einem berühmten Gesundheitsbrunnen, zu und bewegt sich zwischen diesem Born und dem am Hölteberg befindlichen Heiligenhäuschen hin und her. Begegnet ihr auf dieser nächtlichen Runde zufällig ein einsamer Wanderer, so pflegt sie denselben eine Strecke des Weges zu begleiten, indem sie still schweigend neben ihm einhergeht.


Pfarrer J. Prott

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 275-276.
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