[342] 757. Jâsmännchen wird als wilder Jäger gefangen genommen und gebannt.

Jâsmännchen, der wilde Jäger, hatte schon lange Zeit den Pirminusberg und die ganze Umgegend beunruhigt; deshalb nahm ihn der Einsiedler gefangen und bannte ihn jenseits über den alten Bitschter Teich in die Schâlbech hinüber.

In Begleitung des Pastors und des Kaplans ging Bruder Thinnes nach Buderscheid, um Jâsmännchen aufzusuchen und ihn zu bannen. Sobald Jâsmännchen in der Nähe von Buderscheid erschien, ergriffen der Pastor und der Kaplan sofort die Flucht. Thinnes aber blieb herzhaft stehen. Jâsmännchen packte ihn, hob ihn in die Höhe und floh mit ihm zum Bitschter[342] Weiher hin, schwebte dann eine Zeit lang über demselben, indem er Thinnes zurief: »Mach das Kreuzzeichen!« – »Ich hab's gemacht«, antwortete Thinnes. Hätte Thinnes in diesem Augenblick das hl. Kreuzzeichen gemacht, so wäre er selbst ins Wasser gefallen. Erst jenseits des Weihers bannte ihn Thinnes vermittelst des hl. Kreuzzeichens.

Bruder Thinnes zwang nun den gefangenen Jäger, Rede zu stehen, und er fragte ihn, warum er aus dem Grabe zurückkehre. Jâsmännchen antwortete, er sei zu leicht und zu unruhig, um in der Unterwelt bleiben zu können. Dann fragte Bruder Thinnes, was denn sein Begehr sei. Der Geist erwiderte, man solle ihm einen bleiernen Mantel, bleierne Stiefel, einen bleiernen Hut und ein bleiernes Horn verfertigen, dann werde er schwer genug sein, um in der Hölle bleiben zu können, und Ruhe haben. Das alles geschah, wie er es verlangt hatte, und Jâsmännchen schlüpfte in die bleierne Bekleidung hinein. Darauf gab man ihm auch noch einen eisernen Spieß in die Hand. »Nun«, sagte man, »wirst du wohl sicher schwer genug sein, um zu bleiben, wo du bist.«

Der gefangene Jäger bat inständigst, man möge ihn doch nicht in Dornen oder ins Wasser bannen. Doch Bruder Thinnes ließ sich nicht erweichen. »Du mußt wieder da hinein, wo du hergekommen bist«, sagte er, band ihn auf einem Wagen fest, der von vier starken Ochsen gezogen wurde, setzte sich neben ihn und lenkte während der Nacht jenseits in die Schâlbech hinein. Dort im Walde befand sich ein Morast, an dessen Ufer ein Dornstrauch stand. Unter diesem Dornstrauch öffnete Bruder Thinnes den Morast und Jâsmännchen versenkte sich in die Tiefe.

Die Stelle wird noch heute bezeichnet. Es ist der jetzige, in der Schâlbech gelegene Jâspesch. Dort steht noch heute ein mächtiger Dornstrauch (Weißdorn), der als Marke dient und das Aussehen hat, als habe er schon Jahrhunderte gesehen. Daneben befindet sich ein Sumpf, der sonst sehr tief war, jetzt aber durch menschliche Kunst fast ganz ausgeleert ist. Unter diesem Dornstrauch, heißt es, habe Bruder Thinnes die Öffnung gemacht, durch welche Jâsmännchen in die Tiefe des Sumpfes schlüpfte.

Andre dagegen berichten, Bruder Thinnes habe den wilden Jäger jenseits des Bitschter Weihers in der Schâlbech vermittelst des hl. Kreuzzeichens in einen Dornstrauch gebannt. Die einen geben an, es sei ein Stachelbeerstrauch, die andern, es sei ein Weißdorn oder auch Potteldorn (ein Wildrosenstrauch) gewesen. Von dem Tage an verdorrte der Strauch und der Jäger darf nur dann wieder auf der Oberwelt erscheinen, wenn ein junger Strauch aus den verdorrten Wurzeln hervorwachsen wird.

Seither hat die ganze Gegend Ruhe. Doch hörte man zuweilen noch seine beiden Hunde in der Schâlbech, am Krenkelstein und auf Tommescht jagen. Auch sind dieselben öfters auf der Hûscht gesehen worden.

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 342-343.
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