[220] Feuilleton der Emancipation.
Bouchard V., Herr von Montmorency, der Gemahl der schönen Laura von Hennegau, der Tochter Balduins IV., kam öfters nach Belgien und unter andern im Jahre 1156 auch einmal nach Nivelle, wo er der Aebtissin von Sankt Gertrud, als der Herrin der Stadt, einen Besuch machte. Die würdige und edle Frau empfing ihn in der Mitte der Stiftsdamen, welche bekannterweise Morgens geistliche und Abends weltliche Kleider trugen und nach Gefallen das Kloster verlassen konnten, um sich zu verehelichen. Eines der Fräulein gefiel Bouchard über die Maßen, er verführte sie bald nachher und sie gebar in Folge dessen einen Sohn, der Jan von Nivelle geheißen wurde. Als der groß und ein starker Ritter geworden war, schenkte sein Vater ihm ein kleines Erbtheil, und er zog umher und erwarb sich viel Dank auf manchem Turniere, und am Hofe Gottfrieds des Beherzten errang er eine schöne Jungfrau und führte dieselbe mit sich auf sein Schlößlein bei Nivelle.
Als er aber so dahin ritt, die Jungfrau hinter sich auf dem Pferde und seinen treuen Hund zur Seite, da begegnete ihm ein hoher, edler Ritter, und als dieser die[220] Jungfrau sah, sperrte er Jan von Nivelle den Weg und erbot sich, mit ihm um die Dame zu kämpfen.
Jan fürchtete nicht, eine Lanze zu brechen, wenn es darauf ankam; hier aber kam ihm dieß nicht gelegen und er schlug dem fremden Ritter vor, das Ganze auf die Entscheidung der Jungfrau ankommen zu lassen; diese möge folgen, wem sie wolle. Der Ritter stimmte ein und siehe, die Jungfrau sprang vom Pferde Jans und setzte sich zu dem Fremden. Jan setzte trübsinnig seinen Weg fort, denn nun blieb ihm nur noch sein Hund. Als die Dame aber mit dem Fremden einige Schritte weit geritten war, bat sie diesen, auch den Hund von Jan zu fordern. Solches that der Ritter, und Jan antwortete: »Wie es der Jungfrau frei stand, zu folgen, wem sie wollte, so möge das auch dem Hunde frei stehen.« Deß mußte der Ritter sich getrösten, und er lockte den Hund; aber der Hund war treuer, als die Jungfrau, und wich nicht von seinem Herrn. Darum sagt man noch heute, wenn man von einem spricht, der auf kein Rufen hören oder kommen will: »Das ist der Hund von Jan von Nivelle.«