[666] 581. Geistermesse.

Mündlich von Fr. C.


Eine Frau von Hofstade ging eines Morgens früh aus und wollte nach der Stadt. Ihr Weg führte sie an einer alten Kapelle vorbei, die nun seit zehn Jahren abgebrochen ist, und da sah sie Licht darin. Sie ging also hinein und fand die Kirche ganz voll Gestalten[666] mit weißen Tüchern ums Haupt; als sie noch so dastand und schaute, kamen drei Priester aus der Sakristei und nahten dem Hochaltar; ein Küster folgte ihnen mit Chorknaben, und die Geistlichen begannen die Messe. Sie gingen aber nicht dabei wie gewöhnliche Menschen, sondern schwebten nur leicht über der Erde; auch sahen ihre Gewänder gar verblichen aus. Da faßte die Frau ein schreckliches Grausen und sie wollte aus der Kirche, aber die Thüre war geschlossen und sie mußte darin bleiben. Als die Messe nun aus war, zerrannen die Priester in Luft, die Kerzen erloschen und all die weißen Gestalten schwanden; zugleich schlug es auf der Kirchenuhr eins.

Als der Küster Morgens aufschloß, fand er die Frau halb todt vor Schrecken und Angst an der Thüre liegen.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 666-667.
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