[396] 318. Der Todten Dank.

Mündlich von Piot.


Ein frommer Böttchermeister zu Löwen hatte die Gewohnheit, jeden Abend auf den Friedhof bei Sankt Quintini Kirche zu gehen und einige Vaterunser und Ave Maria für die Ruhe der daselbst Schlummernden zu beten.

Eines Sonnabends war ihm gerade viel Geld für seine Arbeiten eingelaufen. Das wußten einige Bösewichte, und die wollten ihn darum auf dem Kirchhofe überfallen und ihm sein Geld abnehmen. Kaum aber hatten sie Hand angelegt an den braven Küfner, als sich ein schreckliches Gerassel auf dem Friedhofe erhob. Es waren die Todten, die, der eine mit einem Beine, der andere mit einem Arme, der dritte mit einem Stücke Sarg in den Händen, auf die Räuber eindrangen und[396] diese also jämmerlich zerhieben, daß sie besinnungslos liegen blieben. Der fromme Meister aber ging ungestört nach Hause und betete von da an desto inniger für die Ruhe derer, welche also treulich ihm sein Leben gerettet.

Diese Geschichte wurde bald ruchbar, und der Magistrat ließ sie auf Holz malen und an der äußern Mauer der Kirche aufhängen. Die Tafeln, worauf das Gemälde zu schauen war, befinden sich noch heutigen Tages an ihrer alten Stelle, doch sind die Farben durch Alter und Regen verblichen, so daß man kaum noch einige Züge von dem Bilde unterscheiden kann.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 396-397.
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