[447] Thomas Cantipratensis S. 345.
Es war ein Ehemann des Nachts heimlich von seiner Frauen Seite geschlüpft, um mit einer andern zu buhlen. Als er aber wiederkehrte und beim hellen Mondschein den Kopf durchs Fenster seiner Schlafkammer steckte, da schrie seine Frau entsetzlich, und als darauf die Dienstleute herbeieilten, um zu sehen, ob ein Unglück geschehen sei, da schrieen die gleichermaßen aufs ärgste, gleichwie wenn sie eines Teufels Antlitz geschaut hätten. Da merkte der Mann wohl, daß es mit seinem Gesichte nicht ganz seine Richtigkeit habe, und da es inzwischen Morgen geworden war und der Tag anbrach, wollte er zur Kirche gehen, um dort seine Sünde zu beichten. So trat er nun auf die Straße, wo eben die Ochsen und Kühe zur Weide getrieben wurden; doch kaum erblickte ihn das unvernünftige Vieh, als es nach seiner Art muhend unter einander lief und flüchtete. Dasselbe thaten die Hirten und alle andern Leute, denen er begegnete.
Wie der Mann nun an die Kirche kam, da saß der Priester an der Thüre und betete die Tagzeiten, aber auch dieser floh, sobald er ihn nur von ferne gesehen, in die Kirche und schloß die Thüre hinter sich zu. Da warf sich der Unglückliche vor die Thüre auf die Kniee nieder[447] und rief jämmerlich: »Ach, heiliger Vater, erbarmt euch doch eines armen Sünders! Ich bin sicherlich nicht, was ich scheine.«
Als er nun so weinte und schrie und seine Sünde bekannte, da siehe, sank die Fratze von seinem Gesichte und er sah wieder aus, wie ehedem, und hat sein Leben lang mit keiner andern Frau mehr gebuhlt.