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Mündlich von C. van Swygenhoven.
Zu Brüssel lebte vor vielen Jahren eine reiche Jungfrau, welche dabei aber ein loses Leben führte und mit zwei jungen Laffen sich immer aufhielt, dieselben in ihrem Hause allein empfing und sich ihnen zu Willen gab. Es geschah aber, daß sie krank wurde, und da blieben die zwei Freier weg, und darob grämte sie sich und starb und wurde begraben.
Es dauerte nicht lange, da sah man sie wieder in ihrem Hause wandeln und handthieren, und sie legte sich ans Fenster und schaute auf die Straße, ganz wie in ihrem Leben. Das hörten die Freier und kamen und wollten ihre Gunst wiederhaben. Da sprach sie: »Das kann ich euch nur unter einer Bedingung zugeben. Kommet diesen Abend wieder und ich will euch sagen, was ihr zu thun habt.« Die Freier thaten also, und als es kaum dunkel war, da trat der erste in ihr Zimmer. Sie fragte ihn: »Hast du mich denn auch gewiß und wahrhaft lieb?« – »Wie kannst du das noch fragen«,[510] entgegnete der Freier. Darauf fuhr sie fort: »Davon möchte ich eine Probe haben. Gehe heute Abend auf den Kirchhof; da findest du ein offenes Grab und du mußt dich mit einem weißen Tuche umhüllen und hineinlegen bis Mitternacht.« – »Das soll geschehen«, sprach der Freier und ging hin und that also.
Als er fort war, kam der andere und sie fragte ihn, wie den ersten, ob er sie lieb habe, und als er das beschworen, sprach sie fürder: »Dann gehe hin auf den Kirchhof und hülle dich in ein weißes Tuch; reiße eines von den Kreuzen, welche da stehen, aus und nimm dieß in die Hand und kniee dich zu Füßen des offenen Grabes, welches du da finden wirst, bis Mitternacht.« – »Das soll geschehen«, sprach der Freier und ging hin und that es.
Wie der unten im Grabe hörte, daß jemand oben nahe, da schlug er die Augen auf und lauschte; und als der andere kam mit dem weißen Tuche um den Leib und dem Kreuze in der Hand und sich zu seinen Füßen kniete, da schrie er laut auf, und der andere erschrak so darob, daß er vor Angst in das Grab stürzte.
Am andern Morgen fand man das Grab umgewühlt und halb zugeworfen. Der Todtengräber sah das und zeigte es dem Pfarrer und der Obrigkeit an. Als man es nun aufgrub und zuschaute, da fand man die beiden Freier todt und die reiche Jungfrau auf ihnen, beide mit krampfhaft in einander geschlungenen Händen umfassend und an sich pressend. Man ließ alle drei liegen, wie sie lagen, und warf das Grab wieder zu. Aber die Geschichte wurde bald kund und man er zählt sie sich noch heute.