456. Der betrogene Teufel.

[554] Mündlich von einem alten Pachter.


Mein Vater hat mir oft das Folgende erzählt.

Zu Löwen lebte vor Zeiten ein reicher Kaufmann, der all sein Geld und Gut dadurch erworben hatte, daß er dem Teufel mit Leib und Seele verschrieben war. Bei dem Reichthum besaß der Mann eine große Klugheit, und er wußte sich zu helfen, wenn andere weder Hülfe noch Rath kannten. So ging es unter andern, als der Teufel am Ende der sieben Jahre zu ihm kam, um ihn zu holen.

Er nahm den Teufel nämlich freundlich bei der Hand und rief, da es just Abend war: »Frau, bring schnell ein Licht für den fremden Herrn.« – »Das ist nicht nöthig«, sprach der Teufel, »ich komme nur, um euch zu holen.« – »Ja, ja, das weiß ich schon«, sprach der Herr, »lasset mir nur noch so lange Zeit, bis das Stümpfchen Licht ausgebrannt ist; ich habe eben nur noch meinen Namen unter einige Briefe zu setzen und meinen Rock anzuziehen.« – »Ja«, sprach der Teufel, »aber nicht länger, als bis das Kerzchen abgebrannt ist.« – »Gut«, entgegnete der Herr, und ging in die Nebenkammer und hieß die Magd eine große Tonne mit Wasser neben eine tiefe, tiefe Grube setzen, die eben im[554] Garten gegraben war; die Knechte trugen gleichfalls jeder eine Tonne zu, und als das geschehen war, mußten sie ihre Schaufeln fassen und sich um die Grube stellen. Dann ging der Herr schnell zum Teufel, und sah da, daß das Lichtchen nur noch zwei Finger breit groß war, und der Teufel lachte und sprach: »Ja, haltet euch nur bereit; es ist bald am Ende.« – »Das weiß ich und bin's zufrieden, aber ich halte mich an eurem Worte und bleibe bis das Kerzchen abgebrannt ist.« – »Ja natürlicherweise«, antwortete der Teufel, »ich halte mein Wort.« – »Es ist dunkel in der Nebenkammer«, fuhr alsdann der Herr fort, »ich muß doch das dicke Buch mit den schweren Krampen finden; erlaubt mir doch, daß ich das Licht für einen Augenblick nehme.« – »Gern«, erwiederte der Teufel, »aber ich gehe mit.« Das that er auch, und des Herrn Angst stieg immer mehr. In der Nebenkammer sprach der Herr plötzlich: »Ach, nun weiß ich, der Schlüssel steckt auf der Gartenthür«, und mit den Worten sprang er hinaus mit dem Kerzchen, und lief in den Garten und warf es, ehe der Teufel noch ihm nachgekommen war, schnell in die Grube, und die Knechte und Mägde gossen das Wasser darauf, und warfen das Loch alsdann mit Erde zu. Da kam der Teufel auch in den Garten und fragte: »Nun, habt ihr den Schlüssel, und wie steht es mit dem Kerzchen? Wo ist das?« – »Das Kerzchen?« fragte der Kaufmann. »Ja, das Kerzchen«, sprach der Teufel. »Ha, ha«, lachte der Herr, »das ist noch nicht ausgebrannt und wird in den ersten fünfzig Jahren auch nicht ausbrennen; es liegt drunten hundert Klafter tief in der Erde.«

Als der Teufel das hörte, da schrie er jämmerlich und fuhr unter gräulichem Gestanke weg.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 554-555.
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