[557] 459. Der Freischütz.

[557] Mündlich aus Audenaerde, Brügge, Dort und Amsterdam.


Es war ein Jäger, der konnte lange Zeit kein Wild treffen. Da wandelte er eines Tages verzweifelt im Walde umher, denn sein Herr wollte ihn aus dem Dienste jagen. Plötzlich stand ein fein gekleideter Mann bei ihm und fragte ihn, warum er also betrübt sei. Der Jäger erzählte es, und der Fremde lachte laut auf. »Warum lacht ihr und spottet mein?« frug der Jäger; »das thut ihr nicht mehr, sonst habt ihr eine Kugel im Leibe.« Da lachte der Mann noch mehr und sprach: »Eine Kugel von euch? Da müßtet ihr ein wackerer Waidmann sein, wenn ihr mich auf drei Schritte treffen wolltet; und ihr seid ja doch nur ein Stümper.« – »Das sagt ihr nicht zweimal«, schrie da der Jäger zornig, legte seine Büchse an und schoß, und der Fremde lachte noch immer fort und sprach, ihm die Kugel bietend: »Da habt ihr eure Kugel zurück; die taugt nichts.« Nun kam dem Jäger doch in etwa die Angst an; aber der Fremde half ihm bald daraus, indem er sprach: »Lasset mich einmal schießen. Seht ihr da hinten weit auf dem Kirchthurme den Spatzen sitzen? Den schieß ich euch herunter.« – »Thut's, wenn ihr's könnt«, lachte der Jäger, und in selbem Augenblicke knallte der Schuß, und der Spatz sank. »So sollt ihr auch schießen können«, fuhr der Fremde nun fort, »und alles treffen, was ihr nur wollt, selbst ohne es zu sehen, und wenn ihr es sehet, dann kann es so weit sein, wie es will, ihr trefft's, wenn ihr mir nur euer Handzeichen geben und mit mir einen Accord auf sieben Jahre eingehen wollt. Ich verlange nur eure Seele.« – »Gut«, sprach der Jäger, »ich bin's zufrieden; aber unter der Bedingung, daß ihr[558] mir immer sagt, was ich schieße.« – »Zugestanden«, entgegnete der Fremde kurz; der Jäger zeichnete auf ein Papier seinen Namen mit Blut, und der Fremde verschwand.

Sieben Jahre schoß der Jäger, daß es ein Wunder war, und er hatte einen Gehalt von seinem Herrn, wie kein Jäger in der ganzen Welt. Als aber der vorletzte Tag da war, da wurde er gar traurig; denn er fürchtete, daß der Teufel ihn am andern Morgen holen werde. Als seine Frau diese Betrübniß bemerkte, fragte sie ihn um die Ursache. Nach langem Zögern gestand er, wie er mit dem Teufel einen Vertrag eingegangen hatte unter der Bedingung, daß der Satan ihm immer sage, was er schösse, wenn das Wild etwas weit entfernt sei. »Da kann ich euch schon helfen, lieber Mann«, lachte die Frau, »geht nur getrost auf die Jagd; aber schießt nicht, ohne zu fragen, was es ist, was ihr schießt.« Der Jäger that also, und als er weg war, zog die Frau sich nackt aus, bestrich sich ihren ganzen Leib mit Syrup und wälzte sich alsdann in einem geöffneten Federbette umher, so daß sie eher einem Vogel, als einem Menschen ähnlich sah. Dann ging sie aufs Feld und sprang dort umher. Nicht lange und der Jäger kam von ferne mit dem Teufel, und der letztere sah das wunderbare Federgeschöpf und rief dem Jäger zu: »Da, schießt!« – »Was ist das denn?« frug der Jäger. Der Teufel sah und sah, aber er konnte nicht erkennen, was es war, und sprach endlich beschämt: »Ich weiß wahrhaftig nicht.« – »Hahaha!« lachte da der Jäger, »dann ist unser Accord gebrochen«, und der Teufel verschwand mit einem gräulichem Gestank. Da lachte die Frau noch mehr und umarmte freudig ihren also geretteten Mann.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 557-559.
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