[603] Mündlich.
Emancipation. 1837. Nr. 163.
In der Gegend des Dorfes Sankt Amand lebte ein Feldhüter mit seiner Tochter. Der Mann war arm und hatte kaum genug, um sein Leben zu fristen; darum suchte das Mädchen, sich einiges Geld zu verdienen mit Ausrichtung von Aufträgen der begüterten Einwohner in der Umgegend. Eines Abends kam sie von einem langen Wege zurück und wollte nach Hause gehen. Sie mußte aber durch einen kleinen Wald; in demselben traf sie einen schwarzgekleideten Mann von stillem und ruhigem Aeußern, der sie nach der Heerstraße fragte. Sie hob den Arm, um ihm dieselbe zu zeigen; aber in demselben Augenblicke fühlte sie sich gefaßt und in die Erde hineingezogen. Ueber eine Stunde lang fuhr sie mit dem Manne in die Tiefe; da hielt er plötzlich an und setzte sie in eine Kammer, wo sie drei Tage lang blieb; während dieser Zeit sah sie keinen andern Menschen, als ihn, und er brachte ihr auch Essen und Trinken. Am Ende des dritten Tages führte er sie wieder zurück auf die Erde und verschwand vor ihren Augen. Sie ging nach Hause und als sie dort ankam, fühlte sie sich so schwach, daß sie sich zu Bette legen mußte. Was das wunderbarste bei ihrer Krankheit war, sie konnte keine Nahrung vertragen und nur und allein das eisenhaltige Wasser eines nahen Brunnens trinken. Oft wollte man sie überlisten und bot ihr anderes Wasser, aber sie erkannte es[603] bald. Jeden Tag wurde sie magerer und ihre Knochen erweichten dergestalt, daß sie ihre Arme gleich einer Binde um ihren Hals schlingen konnte. Unterstützte man sie mit der Hand in der Mitte des Rückens, dann sank ihr Körper gleich einem leinenen Tuche von beiden Seiten nieder, so daß ihr Scheitel ihre Fersen berührte.
In diesem Zustande lebte sie vier bis fünf Jahre, nach deren Verlauf ein weiser Mann aus der Gegend sie heilte.