[607] 507. Zevenbergen.
(Holland.)

Mündlich.


Ehe man nach Dort kommt, sieht man an der Landstraße ein großes Wasser liegen, in dessen Mitte sich ein Kirchthurm einsam erhebt.[607]

Da stand einst die reiche und vielbewohnte Stadt Zevenbergen, deren Einwohner mit dem Golde und Silber umgingen, als wenn es Kupfer gewesen wäre. Alle Klinken an den Thüren, alle Riegel an den Fenstern waren eitel Gold; alle Nägel in den Häusern, alles Geschirre in den Küchen war pures Silber; kurz es war ein Reichthum, der nicht zu beschreiben ist, und dabei ein Uebermuth unter dem Volke, den man noch weniger zu beschreiben vermöchte.

Zu einer Zeit aber geschah es, daß in jeder Nacht eine Meerminne geflogen kam; die setzte sich auf den Thurm der Kirche nieder, welche zu Sint Lobbetjen hieß, und sang dort:


Zevenbergen sol vergaen,

En Lobbetjens toren blyven staen.


(Zevenbergen soll vergehn und Sint Lobbetjens Thurm bleiben stehn.)

Diesen Sang hörte jedermann, aber keiner achtete darauf oder hätte darum sich von seinem Uebermuthe abgewendet. Darum wurde Gott deß endlich müde, und in einer Nacht erhob sich ein gräuliches Unwetter mit Sturm und Regen, und es rollte ein nie gehörter Donner über Zevenbergen hin, und die Stadt versank im Nu, außer der Kirche, die stehen blieb und noch heute steht, wie es die Meerminne gesungen hatte. An der Stelle der Stadt dehnte sich ein weites Wasser aus.

Fischer, die dasselbe befuhren, wollen häufig die goldblinkenden Dächer von Zevenbergen gesehen haben; keiner aber wagte sich je in die geheimnißvolle Tiefe hinein.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 607-608.
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