[614] 516. Holzhacker belohnt.

[614] Mündlich.


Ein armer Holzhacker in den Ardennen hatte eines Tages schlechten Verdienst gehabt und setzte sich am Abende mißmuthig unter eine alte Eiche, wo er unwillig über sein Unglück in sich hinein brummte. Plötzlich that die Eiche sich auf, und ein kleines, altes Männchen trat hinaus und fragte den Holzhacker: »Willst du mit mir auf die Jagd gehen?« Der arme Mann fiel fast zusammen vor Schrecken, doch faßte er sich bald und sprach: »Ja, warum nicht? Ich wage ja nichts dabei.« Da nahm das alte Männchen eine Pfeife, welche es am Halse trug und pfiff dreimal so laut, daß der Holzhacker fast Hören und Sehen verlor. Im selben Augenblicke wurde es laut im Walde; von allen Ecken und Enden kamen Männer und Frauen herbei, gefolgt von Jägern und Hunden. Ein köstliches Abendmahl wurde angerichtet, und der Holzhacker aß mit von dem Brote und trank mit von dem Weine, und er fand beides gar köstlich. Er sah mehre seiner Freunde von der Jagd nach Hause zurückkehren und die Reihen der geisterhaften Menge durchwandeln, ohne daß sie etwas davon gemerkt hätten.

Als das Abendessen geendet war, begann die Jagd, und diese dauerte bis gegen Mitternacht, und dem Holzhacker schien das ein recht vergnügliches Treiben. Man tödtete so viel Wild, daß er vierzehn Tage nachher noch nichts anderes that, als Eberfleisch einsalzen, und, um ganz kurz zu sein, er hatte so viel Fleisch, daß er gemächlich ein ganzes Jahr davon essen konnte.

Was aber wunderbar bei der Sache blieb, die nächtlichen Jäger hatten nicht einen einzigen Hirsch erlegt.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 614-615.
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