[236] Es war einmal eine Frau, die hatte einen kleinen Knaben, der war so dick und so fett und mochte immer so gern gute Bissen, und darum nannte die Mutter ihn Schmierbock; auch hatte sie einen kleinen allerliebsten Hund, welchen sie Goldzahn nannte. Nun stand die Frau einmal beim Backtrog und backte Brod; da fing der Hund plötzlich an zu bellen.
»Lauf mal hinaus, Schmierbock«, sagte die Frau: »und sieh zu, wonach Goldzahn so bellt.« Da lief der Knabe hinaus, kam wieder herein und sagte:
»Na, Gott steh uns bei! da kommt ein großes, langes Trollweib her mit dem Kopf unter dem Arm und einem Sack auf dem Rücken.« –
»Kriech unter den Backtrog und versteck Dich!« sagte seine Mutter.
Nun kam das Trollweib an. »Guten Tag!« sagte sie.
»Schönen Dank!« sagte die Mutter von Schmierbock.
»Ist Schmierbock nicht zu Hause?« fragte das Weib.
»Nein, er ist mit seinem Vater im Holz und fängt Waldhühner«, versetzte die Frau.
»Das wär' der Troll!« sagte das Weib: »ich hab' ein kleines silbernes Messer, das wollt' ich ihm gern schenken.«[237]
»Pip! pip! hier bin ich!« sagte Schmierbock unter dem Backtrog und kroch hervor.
»Ich bin so alt und bin schon so steif im Rücken«, sagte das Trollweib: »Du mußt in den Sack kriechen und es Dir selbst holen.«
Wie nun Schmierbock in den Sack gekrochen war, schwang das Weib ihn auf den Rücken und ging damit fort. Als sie aber ein Ende gegangen war, wurde sie müde und fragte: »Wie weit ist es noch bis zur Schlafstelle?« –
»Ein Halbviertel Weges«, antwortete Schmierbock.
Da setzte das Weib den Sack am Wege nieder, strich durch's Unterholz und legte sich schlafen. Nun benutzte Schmierbock die Gelegenheit, nahm sein Messer, schnitt damit ein Loch in den Sack und kroch heraus; dann legte er eine große Kienwurzel an die Stelle und lief wieder nach Hause zu seiner Mutter. Als nun das Trollweib in ihrer Wohnung ankam und sah, Was sie im Sack hatte, da wurde sie so böse, daß es gar nicht zu sagen ist.
Tages darauf stand die Frau abermals beim Trog und backte Brod; da begann der Hund plötzlich wieder zu bellen. »Lauf mal hinaus, Schmierbock«, sagte die Frau: »und sieh zu, wonach Goldzahn so bellt.« –
»Nun seh mal Einer das abscheuliche Biest!« sagte Schmierbock: »da kommt sie wieder mit dem Kopf unter dem Arm und einem großen Sack auf dem Rücken.« –
»Kriech unter den Backtrog und versteck Dich!« sagte seine Mutter.
Nun kam das Trollweib an. »Guten Tag!« sagte sie: »ist Schmierbock nicht zu Hause?« –
»Ei, was wollt' er zu Hause sein!« sagte die Frau: »er ist mit seinem Vater im Holz und fängt Waldhühner.« –
»Das wär' der Troll!« sagte das Weib: »ich hab' ihm sonst eine schöne silberne Gabel mitgebracht, die wollt' ich ihm schenken.«
»Pip! pip! hier bin ich!« sagte Schmierbock und kroch hervor.
»Ich bin so steif im Rücken«, sagte das Trollweib: »Du mußt selbst in den Sack kriechen und sie Dir holen.« Als nun Schmierbock in den Sack gekrochen war, schwang das Weib ihn auf den[238] Rücken und ging fort. Wie sie aber ein Ende gegangen war, wurde sie wieder müde und fragte: »Wie weit ist es noch bis zur Schlafstelle?« – »Eine halbe Meile«, antwortete Schmierbock.
Da setzte das Weib den Sack am Wege nieder, strich durch den Wald und legte sich schlafen. Indessen aber benutzte Schmierbock die Gelegenheit, schnitt ein Loch in den Sack und kroch heraus; dann legte er einen großen Stein an die Stelle und lief wieder nach Hause zu seiner Mutter. Als nun das Trollweib in ihrer Wohnung ankam, machte sie ein großes Feuer auf dem Herd an, hängte einen großen Kessel darüber und wollte Schmierbock kochen. Als sie ihn aber in den Kessel schütten wollte, fiel der Stein heraus und schlug den Boden entzwei, so daß alles Wasser herauslief und das Feuer auslöschte. Da wurde das Weib ganz wüthend und sagte: »Wenn er sich auch noch so sehr sträubt, ich will ihn doch schon kriegen.«
Das dritte Mal ging es wieder eben so. Goldzahn fing wieder an zu bellen, und da sagte die Mutter zu dem Knaben: »Geh mal hinaus, Schmierbock, und sieh zu, wonach Goldzahn so bellt.«
Schmierbock lief hinaus, kam wieder herein und sagte: »Na, Gott steh uns bei! Da kommt wieder das Trollmensch mit dem Kopf unter dem Arm und einem Sack auf dem Rücken.« –
»Kriech unter den Backtrog und versteck' Dich!« sagte die Mutter.
Es dauerte nicht lange, so kam das Trollweib an. »Guten Tag!« sagte sie: »ist Schmierbock nicht zu Hause?« –
»Ei was wollt' er zu Hause sein!« sagte die Mutter: »er ist mit seinem Vater im Holz und fängt Waldhühner.« –
»Das wär' der Troll!« sagte das Weib: »ich habe sonst einen hübschen silbernen Löffel mitgebracht, den wollt' ich ihm schenken.« –
»Pip! pip! hier bin ich!« sagte Schmierbock und kroch unter dem Backtrog hervor.
»Ich bin so steif im Rücken«, sagte das Trollweib: »Du mußt selbst in den Sack kriechen und ihn Dir holen.« Als Schmierbock hineingekrochen war, schwang das Weib den Sack wieder auf den Rücken und ging fort. Das Mal aber legte sie sich nicht wieder[239] im Wald schlafen, sondern trug Schmierbock gradesweges nach ihrem Hause. Als sie dort ankam, war es grade Sonntag; darum sagte sie zu ihrer Tochter:
»Nimm diesen Schmierbock und schlachte ihn und koch Suppe davon; die muß aber fertig sein, wenn ich zurückkomme; denn ich gehe jetzt mit Deinem Vater in die Kirche, um Fremde zu bitten.«
Als nun das Trollpack gegangen war, wollte die Tochter den Schmierbock schlachten; aber sie wußte gar nicht, wie sie das anfangen sollte.
»Wart, ich will Dir's zeigen, wie Du's machen mußt«, sagte Schmierbock: »Lege nur Deinen Kopf auf die Bank, dann sollst Du mal sehen.«
Das that denn das arme Mädchen auch; aber da nahm Schmierbock die Axt und hieb ihr damit den Kopf ab, als wär's ein Küken gewesen. Dann legte er den Kopf ins Bett und den Rumpf in den Kessel und kochte Suppe davon; und als er das gethan hatte, nahm er die Kienwurzel und den Stein und kroch damit in den Schornstein hinauf.
Als darauf das Trollweib mit ihrem Mann wieder nach Hause kam, und sie den Kopf im Bett liegen sahen, meinten sie, es wäre die Tochter, die schliefe; sie wollten sie nun nicht aufwecken, sondern gingen zum Kessel, um die Suppe zu kosten.
»Schmeckt gut, die Schmierbocksuppe!« sagte das Trollweib.
»Schmeckt gut, die Tochtersuppe!« sagte Schmierbock oben im Schornstein; aber das hörten sie nicht recht.
Darauf nahm der Troll den Löffel und wollte auch die Suppe kosten.
»Schmeckt gut, die Schmierbocksuppe!« sagte er.
»Schmeckt gut, die Tochtersuppe!« sagte Schmierbock im Schornstein.
Da wurden sie aufmerksam und konnten nicht begreifen, Wer es sei, der da im Schornstein schwatze; sie stiegen daher auf den Herd und wollten zusehen. Aber da nahm Schmierbock die Kienwurzel und den Stein und warf sie damit auf den Kopf, so daß sie todt umfielen. Als Schmierbock das sah, stieg er wieder herunter, nahm all das Gold und Silber, was er da vorfand, und reiste damit nach Hause zu seiner Mutter. Und nun war Schmierbock ein reicher Mann.
Buchempfehlung
Nachdem Musarion sich mit ihrem Freund Phanias gestrittet hat, flüchtet sich dieser in sinnenfeindliche Meditation und hängt zwei radikalen philosophischen Lehrern an. Musarion provoziert eine Diskussion zwischen den Philosophen, die in einer Prügelei mündet und Phanias erkennen lässt, dass die beiden »nicht ganz so weise als ihr System sind.«
52 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro