Die Kröte.

[58] Ein reicher Fürst hatte drei Söhne. Zwei waren klug und der dritte dumm. Als sie groß geworden waren, wünschte der Vater, daß sie sich verheiraten möchten. Er gab ihnen also Bogen und Pfeile und redete sie folgendermaßen an:

»Ihr seid nun groß und stark geworden; bald wird es Zeit, Ihr guten Burschen, an schmucke Weibchen auch zu denken, die Euch durch ihren holden Reiz erheitern, damit ich noch vor meinem Tode die lieben Enkelchen[58] mag schaukeln. Hier habt Ihr jeder einen Bogen. Schießt weit hinweg die schnellen Pfeile, und wo der Pfeil hinfällt, da suchet Euch die holde Gattin.«

Der Ältste spannte seinen Bogen, und zischend flog der Pfeil von dannen. Erst hinterm Walde fiel er nieder, auf dem Balkon des Marmorhauses. Da stand die goldgelockte Jungfrau, spann ihren Flachs mit weißen Händen. Die Jungfrau war des Ritters Tochter, dem viele Schlösser zugehörten. Der Ritter wählte ihn zum Eidam (zum Schwiegersohn). Voll Freude war der alte Fürst nun, daß sich sein Sohn ein Weib gewählet.

Der Jüngere spannte seinen Bogen, und zischend flog der Pfeil von dannen. Erst hinterm Bache fiel er nieder, im Schatten einer großen Linde. Dort saß die schwarzgelockte Jungfrau und sammelt' Honig in die Töpfe. Die Jungfrau war des Landmanns Tochter. Zwei große Häuser hatt' der Landmann: das eine Haus von Fichtenholz, das andere von festen Steinen. Der Landmann wählte ihn zum Eidam. Voll Freude war der alte Fürst nun bei seines zweiten Sohnes Hochzeit.

Der Jüngste ging noch immer weiter mit dem schönen Bogen. Als die Reihe nun an ihn kam, – schwirrend flog der Pfeil von dannen, fiel dann in den schlammigen Teich.

Der Jüngling fuhr im Kahne hin, suchte den Pfeil und fand neben ihm – eine häßliche Kröte.

Und weil's sein Vater so haben wollte, nahm er sich die Kröte zur Frau. Im Grunde aber war das keine Kröte, sondern eine verzauberte Prinzessin. Er brachte sie nach Hause, setzte sie auf sein Bett und befahl seinen Leuten, ihr zu dienen. Der alte Fürst aber war sehr[59] traurig darüber, daß sein Sohn eine Kröte heiraten mußte.

Da kam der Namenstag der alten Fürstin-Mutter heran. Die Schwiegertöchter buken eifrig Brot, und das Brot wurde köstlich, groß und weiß wie Milch.

Der Jüngste weinte heiße Tränen, daß seine Frau nicht auch der Mutter ein Brot backen konnte. Die gute Kröte sah ihn weinen und sprach zu ihm mit diesen Worten: »Sei nicht traurig, mein liebes Männchen; auch ich versteh ein Brot zu backen.«

Sogleich erschienen sieben Mägde und buken viel mehr Brot zusammen als die beiden Schwiegertöchter. Der junge Fürst, voller Freude, schickte es seiner Mutter – als Geschenk von seiner Frau. Und alle wunderten sich über das schöne Brot.

Die beiden Schwägerinnen wurden neidisch und fingen an, Gürtel zu sticken, der alten Fürstin zum Geschenk. Sie stickten sie mit Gold, mit Silber, und alle waren entzückt über die herrliche Arbeit. Der junge Fürst weinte bittere Tränen, daß seine Frau nicht auch so sticken konnte. Die Kröte sah ihn weinen und sprach zu ihm mit diesen Worten: »Sei nicht traurig, mein liebes Männchen; auch ich stick einen schönen Gürtel, den bringst Du als Geschenk der Mutter.«

Und es erschienen sieben Mägde und stickten einen Gürtel aus Gold, Silber, Perlen und blitzenden Diamanten. Der junge Fürst brachte das Geschenk zur Mutter, und alle waren erstaunt, daß eine Kröte einen so schönen Gürtel sticken konnte.

Der Namenstag der alten Fürstin war da. Die beiden Schwiegertöchter saßen schön ausgeputzt neben ihr.[60] Der junge Fürst war traurig, daß er nicht auch bei dem Feste sein konnte.

»Wir werden auch hingehen,« sagte die Kröte. »Geh Du voran, und wenn es regnet, so sag, daß Deine Frau sich badet; wenn es blitzt, so sag, daß sie sich putzt, und wenn es donnert, daß sie schon angefahren kommt.«

Voll Freude geht er hin und wünscht der Mutter Glück und Segen. Man stellt die Tische auf, das Festmahl soll beginnen. Da fängt es ganz leise an zu regnen. Der junge Fürst sieht zum Fenster hinaus und sagt laut: »Jetzt badet sich mein liebes Weibchen!«

Alle sehen hin und denken: »Was spricht der Dummkopf doch für Unsinn!«

Es blitzt am Himmel; – er spricht wieder: »Jetzt zieht sich mein liebes Weibchen an!« Es donnert, – da ruft er mit Jauchzen: »Jetzt kommt mein Weibchen angefahren!«

Voll Neugier blickt man nach der Tür. Aber es kommt keine Kröte herein, sondern eine holde, wunderschöne Frau. Die Eltern sind entzückt, und ebenso der junge Fürst. Schnell läuft er nach Hause, niemand weiß, warum.

An der Tafel geht es lustig zu. Die junge Fürstin strahlt von Schönheit, und die beiden Schwägerinnen sind wütend vor Neid.

Da kommt eilig der junge Fürst zurück und ruft seiner Frau zu: »Die häßliche Krötenhaut, die Deine Schönheit verdeckte, ich habe sie zu Hause gefunden und verbrannt!«

In demselben Augenblick war die junge Frau ganz in Flammen eingehüllt. »Leb wohl!« rief sie; »bald sollte ich erlöst werden, als Mensch unter Menschen[61] leben. Nun bin ich für lange Zeit aufs neue verzaubert.«

Sie schwand dahin wie im Nebel, und man sah sie niemals wieder.

Quelle:
Volkssagen und Märchen aus Polen von K. W. Woycicki. Breslau: Verlag von Priebatschs Buchhandlung, 1920, S. 58-62.
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