3.

[35] Ein Bauer war sieben ganze Jahre Werwolf gewesen. Als nun seine Zeit um war, wurde er wieder in einen Menschen verwandelt. Nackt und hungrig lief er den ganzen Tag seinem Hause zu. Dort wohnte seine Frau mit seinen Kindern. Am späten Abend endlich kam er an und klopfte an die verschlossene Tür.

»Wer da?« so rief es aus der Hütte, und der Bauer erkannte die Stimme seiner Frau.

»Ich bin's! Dein Mann! Dein lieber Mann! Geschwind mach auf!«

»Alle guten Geister loben den Herrn! Um Gottes willen, Mann, steh auf!« rief das erschrockene Weib; und der Bauer sah seinen alten Knecht herauskommen, der unterdessen seine Frau geheiratet hatte und Herr vom Hause geworden war. Der Knecht hielt eine große Mistgabel in der Hand und wollte den rechtmäßigen Besitzer damit vertreiben. Erzürnt über die Treulosigkeit seiner Frau, rief der Bauer schmerzlich aus: »O, warum bin ich kein Werwolf mehr, wie würd' ich gleich das böse Weib bestrafen!«[35]

Kaum hat er so gesprochen, so wird der frevelhafte Wunsch erfüllt. Von neuem ist er in einen Wolf verwandelt, und wütend stürzt er sich auf seine Frau und wirft sie um mitsamt dem Kinde, das aus der zweiten Ehe war und an der Mutter Brust lag. Das Kindlein fraß er auf, und auch die Frau zerbiß er tödlich.

Auf der Unglücklichen Geschrei liefen bald die Nachbarn zusammen und warfen sich vereint auf das reißende Tier. Es vermochte sich nicht lange zu widersetzen. Die Bauern erhoben ein Freudengeschrei. Als sie aber beim Lichte eines Kienholzes das Untier näher beschauten, da erkannten sie zu ihrem Schrecken, daß der Landmann getötet dalag, der vor sieben Jahren spurlos verschwunden war und von dem wohl mancher erzählt hatte, er sei in einen Werwolf verwandelt. Nun war menschliche Hilfe für ihn zu spät, und auch die Bäuerin starb bald darauf an ihren Wunden.

Quelle:
Volkssagen und Märchen aus Polen von K. W. Woycicki. Breslau: Verlag von Priebatschs Buchhandlung, 1920, S. 35-36.
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