I.

[163] Es waren einmal ein alter Mann und eine alte Frau, zu denen kam ein Schifferknecht und bat sie um ein Nachtlager.

Der Alte ließ ihn unter der Bedingung ein, daß er ihm die ganze Nacht Geschichten erzähle.

»Gut, ich werde dir etwas erzählen«, antwortete der Bursche.

»Nun, das ist recht.«

Der Alte kletterte mit dem Burschen auf den Ofen. Die Frau saß unten und spann Flachs.

Der Bursche dachte: »Jetzt will ich mir mit ihnen einen Spaß machen.«

Er verwandelte sich in einen Wolf und den Alten in einen Bären und sagte:

»Laufen wir fort.«

Da liefen sie beide ins freie Feld, dort sah der Wolf des Alten Stute weiden und sprach:

»Fressen wir sie auf.«

»Nein, das ist mein Pferd«, sagte der Bär.

»Aber Hunger hast du doch auch!«

Da fraßen sie beide das Pferd auf und liefen weiter, da trafen sie des Alten Weib und der Wolf sagte wie der:

[163] »Fressen wir die Alte.«

»Oho, das ist ja meine Frau«, antwortete der Bär.

»Was fällt dir denn ein!«

Da fraßen sie das alte Weib und liefen den ganzen Sommer miteinander umher, dann kam der Winter.

»Setzen wir uns in eine Höhle«, sagte der Wolf zum Bär. »Du kriech tiefer hinein und ich lege mich vorne hin. Finden uns die Jäger, so werden sie mich zuerst erschießen. Paß auf! Wenn sie mir das Fell abziehen, lauf heraus und spring über meine Haut, dann wirst du wieder ein Mensch.«

Sie lagen in ihrer Höhle, bis die Jäger sie fanden. Die erschossen sogleich den Wolf und zogen ihm das Fell ab.

Da sprang der Bär auf und machte einen Purzelbaum über das Wolfsfell. Dabei flog der Alte kopfüber von dem Ofen auf den Boden herab.

»O weh, o weh, ich habe mir den ganzen Rücken zerschlagen!« brüllte er.

»Was zum Teufel machst du? Warum fällst du da herunter? Bist du betrunken?« schrie die Alte.

Da erzählte er, wie er und der Schifferknecht als wilde Tiere umhergelaufen waren. »Er als Wolf und und ich als Bär«, sagte er. »Einen Sommer und einen Winter liefen wir umher. Wir fraßen unser Pferd, wir fraßen auch dich.«

Da lachte die Alte unbändig und rief:

»Ei, da hat der Bursche dich schön angeführt.«

Quelle:
Afanaßjew, A. N.: Russische Volksmärchen. Wien: Ludwig, 1910, S. 163-164.
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